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Voigtländer, Peter Will). Friedrich 236 Voigtländer, Peter Wilh. Friedrich
eigene fernere theoretische Ausbildung.
I n dieser Zeit verlegte er sich eifrig auf
die Berechnung des Brechungs» und
Zerstreuungsverhaltnisses der Glasmassen,
construirte Apparate, um gegebene Halb»
meffer auf 0 0003 auszuführen u. d. m.;
auch berechnete und führte er kleinere
Fernrohre aus, denen Stampfer,
Schuhmacher und Gaus Vorzüge vor
den berühmten Fernrohren Frauen»
hofer's einräumten. Nun trat er mit
Professor Petzval in Verbindung und
construirte nach dessen Berechnung das
erste photographische Porträtobjectiv, für
welches er die Brechungs- und Zer-
streuungsindices ber verwendeten Glas'
sorten lieferte. Von der Herstellung
dieses ersten Porträtobjectives datirt der
Aufschwung, ja der eigentliche Bestand
der ganzen neuerenHhotographie, denn
für die wenig lichtempfindlichen Präpa»
rationen jener Zeit mußte die Optik eine
Abhilfe finden, sonst würde der Uebergang
zu dem üblichen rasch wirkenden Kollo-
dion niemals ermöglicht worden sein.
Voigt länder führte dann die Objec-
tive mit Sachkenntniß, Energie und
Solidität aus, so daß diese Instrumente
seinem Namen rasch in allen Wetttheilen
Achtung verschafften. Die mit jedem
Tage wachsende Ausdehnung des Ge»
schäftes machte die Errichtung einer
zweiten Anstalt nöthig, für welche er, mit
Rücksicht auf die Heimat seiner Gattin,
Braunschweig wählte, wohin er seit dem
Jahre 1849 auch seinen zeitweiligen per»
sönlichen Aufenthalt verlegte. Wahrend
aber die Photographischen Apparate, die
aus seinem Institute hervorgingen, doch
nur für den beschränkten Kreis der Pho-
tographen berechnet waren, einen Kreis,
dessen Ringe sich allerdings zu einer
mächtigen, sämmtliche Länder des Erd-
balls umfassenden Kette verschlangen, fanden die im Jahre 1842 von ihm con-
struirten Perspective mit achromatischen
Ocularen und Objectiven den Eingang
in alle Kreise der Gesellschaft und eine
Verbreitung nach allen Richtungen der
Welt. Insbesondere sind sie in England
unter dem Namen der „Voigt länder"
bekannt und dienen dort zum Gebrauche
im Theater, bei Wettrennen, sowie in der
Marine und in der Armee. Die ober»
wähnte Verbindung Voigt länder 's
mit dem gelehrten Mathematiker Petz«
val war nicht von langer Dauer,
und Ersterer sah sich genöthigt, als Letz-
terer die orthoskopischen Objective ver-
öffentlichte, in einer eigenen, auch als
Broschüre erschienenen Denkschrift an
die Akademie der Wissenschaften den
Sachverhalt darzulegen und seine eigenen
Erfinderrechte zu wahren, was die bit-
terste Feindschaft zwischen dem Gelehrten
und dem Optiker und Privilegiums»
streitigkeiten hervorrief, die sogar zu
gerichtlichen Schritten führten. Aus
diesem Streite erwuchs für die Fortent»
Wickelung der Photographie in Oesterreich
der sehr empfindliche Nachtheil, daß,
während bis dahin in dieser Angelegen»
heit unser Reich sozusagen die Führung
hatte, diese mit der Trennung Petzval's
und Voigtländer's an die Engländer
und Americaner überging. Im Porträt-
fache jedoch konnte nichts Besseres her-
vorgebracht werden, als das Petzval-
Voigtländer'sche. Doppelobjectiv. Die
Erzeugung desselben nahm auch unge»
heuere Dimensionen an. Im Jahre 1860
feierten die Arbeiter der Voigtländer'»
schen Fabrik in Braunschweig bei Gelegen-
heit der 10.000. Nummer eim große Fest-
lichkeit, und 1863 erreichte die Zahl der
Objective schon 18.000. Mehr als hun-
dert Arbeiter besckäftigte unser Optiker
in den Werkstätten zu Wien und Braun»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Villata-Vrbna, Volume 51
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Villata-Vrbna
- Volume
- 51
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 350
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon