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Ferdinand Georg 491 Waldmüller, Ferdinand Georg
dem Porträtfache als einziger, Erwerbs»
quelle zu, doch aus Mangel an Kenntniß
und Selbstbewußtsein ließ er sich den
Hintergrund stets von einem seiner
Freunde, einem Landschafter, dazu malen,
da derselbe aber im Geiste eines solchen
zu Werke ging, so kam in diese Arbeiten
niemals künstlerische Harmonie, welcher
Mißstand natürlich höchst störend wirkte.
Waldmül ler mit seinem feinen Sinne
erkannte dies, und jetzt' machte er Stu»
dien nach der Natur im Freien, welche so
gut gelangen, daß er auf die Nothwen-
digkeit und den Nutzen der Na tu r -
studien im Allgemeinen aufmerksam
wurde. Bei dem Porträt einer alten
Frau, bei welchem der Besteller den Auf-
trag beifügte, selbe genau nach dem
Leben zu malen, versuchte er es zum
ersten Male, mit der größten Treue der
Natur nachzugehen — und damit war
ihm das Verständniß erschlossen. 1824
stellte er zuerst in der k. k. Akademie der
bildenden Künste bei St. Anna aus, und
zwei seiner Bilder: „Der Tabakpfeifen«
Händler" und das Konversationsstück
„Taglöhner mit seinem Sohne", beide
vollbürtige Repräsentanten der realisti-
schen Richtung, die noch förmlich verpönt
war, machten inmitten der Schöpfungen
der romantischen Schule, die zu jener
Zeit gerade auf der Akademie in Blüthe
stand, nicht geringes Aufsehen. So stand
denn der Künstler bereits im Alter von
33 Jahren, als es ihm gelang, durch
seine Arbeiten die öffentliche Aufmerk-
samkeit auf sich zu lenken. Schon zwei
Jahre früher, 182ö, hatte er den ersten
Schritt auf den Boden Italiens gesetzt,
das er von da ab bis zu seinem Tode
während 19 Sommer besuchte. Er ver«
weilte damals nur kurze Zeit m der
ewigen Stadt, aber diese Römerfahrt
blieb auf seinen Kunstsinn, seine Schaf» fenslust und seinen Entwicklungsgang
nicht ohne Vinstuß. Seine Technik machte
große Fortschritte, und ein Besuch Dres-
dens und Münchens in den nächsten
Jahren vervollkommnete ihn in der
Kunst, in welcher der bis vor Kurzem
noch sehr zaghafte Künstler sich bald so
stark fühlte, daß er an die Bewältigung
größerer Aufgaben ging, und zwar mit
dem entschiedensten Erfolge. 1830 erhielt
er die Stelle eines Custos der Lam-
berg'schen Gemäldegalerie in der k. k.
Akademie der bildenden Künste und
damit zugleich den Titel eines Professors.
1833 wurde er akademischer Rath, und
nun eröffnete sich ihm ein glänzender
Wirkungskreis. Da er selbst auf das
Studium der Natur gekommen und es
mit größter Aengstlicbkeit befolgt hatte,
hielt er auch als Lehrer an der Akademie
daran fest und forderte im Anfange von
seinen Schülern fast sclavische Natur-
Nachahmung, so daß er dieselben zwang,
an dem Auge eines Kopfes oft mehrere
Tage lang zu malen und nach und nach
die einzelnen Theile anzusetzen, wodurch
leichtbegreiflich manchmal ein ganz geist-
loses Flickwerk entstand. So kam es
denn, daß er junge Leute nicht das
eigentliche Wesen der Kunst kennen, son>
dern nur sclavisch nachahmen lehrte.
Nichtsdestoweniger schaarte sich ein
Kreis von Schülern um ihn, deren
manche in der Folge einen ehrenvollen
Namen sich machten. Seine eigenen Ar-
beiten aber waren so durchströmt von
einem Gefühle für Schönheit, Gemüth
und Wahrheit, daß er in seinen besten
Bildern von keinem seiner Schüler er-
reicht, geschweige denn übertroffen wurde.
Doch seine Methode fand an der Aka-
demie Gegner, es kam zu Differenzen,
man bekrittelte seine einseitige Kunst»
richtung, man wollte seine Art des
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vrčevic-Wallner, Volume 52
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Vrčevic-Wallner
- Volume
- 52
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 342
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon