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Mebercus 221 Mebercus
Trägers zu Webercus umgestaltet und
mit welchem dieser immer genannt wurde.
Obgleich er ein Ausländer ist, so spielt
sich doch ein großer Theil seiner Geschicke
im Kaiserstaate und in dessen Diensten
ab. Sein überaus merkwürdiger Lebens-
lauf läßt ihn uns auch denkwürdig genug
erscheinen. Er selbst hat denselben mit
anerkennenswerther Offenheit niederge«
schrieben. Webercus wuchs zu einer ^
erstaunlichen. Größe hinan. Im Alter!
von 13 Jahren war er bereits über sechs ^
Fuß hoch, besaß die Starke eines statt- '
lichen Mannes und sah mit seinem mäch- !
tigm Barte wie ein Volljähriger aus. !
Nachdem er zuerst bei mehreren Hand» >
werkern in der Lehre gewesen, zog er es
doch vor, Barbier zu werden, und wan-
derte im April 1716 mit zwei Gulden
Reisegeld in die weite Welt. Zu Leit-
mcritz in Böhmen ließ er zuerst sich
nieder und erhielt dort den Spitznamen
„Goliath-Bader", denn er wuchs immer
noch, bis er die Riesengröße von acht
Fuß rheinländisch Maß erreichte. Durch
einen Streit mit Soldaten und Hand«
werkern, die er bei seiner Stärke schlimm
genug behandelte, gerieth er in Haft,
machte sich aber frei und ergriff die
Flucht. E-r gelangte nun nach Nieder-
österreich, wo er Werbern in die Hände
siel. welche den Riesen nach Wien brach-
ten, von wo er dann zur Armee in Un-
garn kam, welche gegen die Türken im
Felde lag. Er war der größte Mann in
der kaiserlichen Armee und wurde des-
halb dem Prinzen Eugen, dem Prinzen
Kar l Alexander von Württemberg
und dem General-Feldmarschall Breu-
ner vorgestellt. Zuerst diente er als
Schanzgrenadier, womit er zufrieden
war, dann aber als Regimentspauker,
als welcher er sich jedoch so wenig gefiel,
daß er, als ihn sein Kapellmeister einmal ^ beschimpfte, die Pauken an dessen Kopfe
zerschlug und nun wegen Insubordination
schlimmster Art zum Tode verurtheilt
ward. Auf Fürsprache seines Lands-
mannes, des Prinzen Alexander, er-
hielt er indessen seine Begnadigung und
diente .als Grenadier weiter: Er kämpfte
in der Schlacht bei Peterwardein, tödtete
! bei der Erstürmung von Temesvär einen
^ türkischen Aga, dessen reiche Goldbörse
! er erbeutete, verlor aber dabei sein
^ linkes Auge durch einen Pfeilschuß. Noch
wohnte er der Belagerung von Belgrad
! bei, dann aber der Strapazen des
Kriegslebens müde, desertirte er und ge-
langte nach mancherlei Abenteuern, bei
welchen der neue Polyphem durch seine
Erscheinung nicht selten Schrecken er-
weckte, aber eben dadurch wieder seine
Flucht sicherte, in seine Vaterstadt Stutt-
gart. Dort wurde ihm von einem ge-
schickten Granatenhandler ein künstliches
Glasauge verfertigt und so geschickt ein»
gesetzt, daß er nicht mehr entstellt aussah.
Auch erhielt er von Herzog Eberhard
Ludwig die Stelle eines Aufsehei's bei
den Bauten. Bei einem glänzenden
Maskenbälle, der bei Hofe stattfand,
sollte er als Statue mitwirken, und zwar
wurde er als Neptun auf ein Postament
gestellt und von den Masken förmlich
umschwärmt. Eine muthwillige Maske
erlaubte sich gegen die Statue einen un-
ziemlichen Scherz, den er so übel auf.
nahm, daß er in der ersten Aufwallung
der Maske einen Schlag versetzte, infolge
dessen diese zusammenbrach. Da erscholl
Geschrei des Entsetzens in den weiten
Räumen des Ballsaales: „Die 3andhof-
Meisterin ist todt! Unsere gnädigste Frau
ist ermordet I" I n der That hatte We-
bercus in der ihn verspottenden Maske
die allmächtige Favoritin des Herzogs,
die berüchtigte Freifrau von Graeve»
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wallnöfer-Weigelsperg, Volume 53
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wallnöfer-Weigelsperg
- Volume
- 53
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 332
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon