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wriskern 80 Meiskeru
troiz dos öfteren Läutens, woran er es
nalürlicb nicbt fehlen ließ, auf sich warten
laffe. Aber je schärfer er ertemporirte,
Kurz ließ sich noch immer nicht sehen.
Endlich glaubte dieser Weiskern's Ge<
duld erschöpft oder doch der Erschöpfung
nahe, stürzte aus der Coulisse ins Zimmer
und stellte siä> dienstfertig vor seinen
Herrn. Neiskern fährt auf das hef»
tigste auf ihn los: „Scklingel! wo hast
du wieder gesteckt? Hast du nicht lauten
g^hoil?" — „Ich versichere Euer Gna-
den hoch und theuer, ich habe das Läuten
nicht gehört", entgegnete Bernardon.
„Weh' dir", ruft nun Weiskern im
größten Zorn, „wenn du mich belogen
hast, ich werde mich selbst überzeugen",
nnd nun stürzte er nach seinem Tische
hin, lautete noch einmal auf das hef>
tigste, setzte die Glocke wieder hin und
eilte mit raschen Tritten ins Vorzimmer
hinaus. Aber völlig beruhigt kommt er
zurück, indem er lächelnd sagt: „Schau,
du hast recbt — ich hab' selbst nichts ge>
hört." Der Effect war gelungen, und
das Publicum lachte aus vollem Halse.
Aber auch als das regelmäßige Schau-
spiel emporkam, fügte sich Weis kern
trefflich darein und erhielt großen Beifall.
So spielte er in Ayrenhoff's „Aurel"
die Rolle des Trajan mit der größten
Würde. I n Erfindung neuer Entwürfe
für das ertemvorirte Theater war er un-
erschöpflich. Er sckuf sie alle nach italie-
nischen, französischen und spanischen
stücken; man gibt ihre Zahl verschieden
an, bald 100, dann 130 und zuletzt
gar 200; die mittlere Zahl mag wohl die
richtige sein. Als das alte Stadttheater
ein Hiaub der Flammen geworden, baute
man neben dem Kärntnerthor ein neues
Schauspielhaus, zu deffen Einweihung
am 9. Juli 1763 Weiskern ein be-!
sonderes Vorspiel verfertigte. I n den^ letzten Lebensjahren verwaltete er auch
die Regie des Theaters. Aber neben
seinem Berufe als Schauspieler und
Dramatiker oblag er noch einer sehr
ernsten wissenschaftlichen Arbeit, die,
wenn sein Andenken als Bühnenkünstler
langst verwischt sein wird, seinem Namen
bleibende Erinnerung sichert. Freilich
war es ihm nicht vergönnt, die Frucht
seiner jahrelangen Mühen selbst noch zu
genießen, denn ehe das Werk in Druck
gelegt werden konnte, war sein Verfasser
im Alter von erst 38 Jahren verschieden.
Obgleich es bis vor wenigen Decennien
als mustergiltig und einzig in seiner Art
dastand und die verläßlichste Quelle für
Alle war, die sich über die Topographie
Niederöfterreichs unterrichten wollten, so
ist es doch bei dem heutigen Stande dieser
Wissenschaft und der ihr zur Verfügung
stehenden Duellen durch neue Meister»
leistungen freilich weit überholt, nichts'
destow-niger aber noch immer im Hin»
blick auf die Zeit, in der es erschien, eine
mit Sicherheit benutzbare Quelle und
von geschichtlichem Werthe. Nach dem
Tode Weiökern's gab dessen Witwe
Pauline, welche, um die Früchte der
jahrelangen und mühevollen Arbeit
ihres Gatten sich zu sichern, wiederholt
von der Kaiserin Mar ia Theresia und
von Kaiser Joseph Privilegien zum
Schutze des Werkes gegen Nachdruck
erbeten hatte, die „Tllpllgraphie van Nieder-
überreich, in welcher lllle Städte, Nliirktc, N'urfer,
Alöster, Zchlä55er, Herrschaften, Landgüter,
Okel5iw, FreqlM, namhafte Gertrr n. dgl. an-
gezeiget werden, mclchr in diesem GrzherMthnme
Wirklich llngttrM'ln werden oder 5ich rhmlll2
darin befunden haben" in 3 Theilen (Wien
1767—1770, gr. 8".) heraus. Der
dritte Theil führt auch den besonderen
Titel: „Beschreibung der Kaiser!, königlichen
Haupt- nnd AezidenzLtüdt Wien: als der I. Gheil
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weil-Weninger, Volume 54
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weil-Weninger
- Volume
- 54
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon