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iß) Johann Bapt. 115 iß) Johann Bapt.
schen und englischen Sprache. In Karls-
ruhe aber ward ihm von Christ, dem Re>
ferenten über die badischen Universitäten,
mitgetheilt, es sei Wunsch der Regierung,
daß er sich der akademischen Laufbahn
widme, und zwar aus dem Fache der
Geschichte an der Universität Freiburg.
Durch die trefflich bestandenen Prüfungen
war man auf den jungen strebsamen
Mann aufmerksam geworden. Nun, so
sehr auch dieser Antrag mit den Wünschen
des Gelehrten zusammenstimmte, so
mußte derselbe ihn doch wegen Unzu>
langlichkeit seiner, pecuniären Mittel ab-
lehnen. Darauf erwiderte der Referent:
daß die Regierung geneigt sei, Weiß ein
Iahrgehalt von 600 st. zu bewilligen,
dafür solle er in Freiburg Weltgeschichte
lesen, und wenn er dann noch durch ein
Werk seine wissenschaftliche Tüchtigkeit
bethätige, werde auch seine Ernennung
zum Professor erfolgen. Nun, das war
denn doch ein Anerbieten, das sich hören
ließ, und Weiß ging nach Freiburg.
Aber er hatte nicht an den an Hoch«
schulen herrschenden Zunftgeist gedacht.
Man ließ ihn nicht vorlesen. Die Uni»
versität hielt steif auf ihr Recht, daß die
Regierung nur aus einem ihr unter»
breiteten Ternavorschlage wählen dürfe.
Dazu kam, daß Weiß noch nicht die
Doktorwürde besaß und nicht habilitirt
war. Indessen bestand die Regierung
auf ihrem Rechte, doch mußte Weiß die
Doctorwürde erlangen und sich habili»
tiren. Erstere erwarb er mit einer
übrigens noch nicht gedruckten Abhand»
lung über die Philosophie des Leib nitz,
dann habilitirte er sich mit der in
der Freiburger theologischen Zeitschrift
4846 erschienenen Abhandlung: „Ge-
schichte der Geschichtsphilosophie". Nun
lag seinem Antritte des Lehramtes nichts
mehr im Wege, und er las über alte und neuere Geschichte bis 4833. Zwischen-
durch war er auch wissenschaftlich thatig
und veröffentlichte die „Geschichte Alfreds
des Grossen" (Schaffhausen 4832, Hurter,
gr. 80., X und 384 S. und Anhang
47 S.), welche von der Kritik sehr gut
aufgenommen wurde. Die „Allgemeine
Zeitung" bezeichnete in einem längeren
Artikel in ihrer Beilage (Frühjahr 4833)
das Werk als die beste Arbeit über den
berühmten König. Auch den großen
politischen Ereignissen, welche sich inner-
halb dieser Zeit, 4846 — 4833, ab-
spielten, stand Weiß nicht als unbethei-
ligter Zuschauer gegenüber. Im Gegen-
theil, er bekannte offen Farbe und stellte
sich 4848 auf Seite der Conservativen.
Als dann im folgenden Jahre aus Frei-
burg eine Adresse nach Frankfurt abging
zu Gunsten des preußischen Kaiserthums,
entwarf er eine Gegenadrefse zu Gunsten
Oesterreichs, ohne welches er sich kein
Deutschland denken mochte. Sollte der
große Kaiserstaat, der so oft Deutsch«
lands Schild gegen Osten war, dessen
Söhne sich so oft und ruhmvoll für die
deutsche Sache und noch zuletzt in den
Befreiungskriegen gegen den Erbfeind
Deutschlands geschlagen, von Deutsch»
land ausgeschlossen sein? Diese in der
Adresse ausgesprochene Auffassung ging,
mit viel mehr Unterschriften versehen,
als die erstere aufzuweisen hatte, nach
Frankfurt ab. Wenn sich damals Weiß
nicht so, wie es ihn drängte, literarisch em
Schaffen hingab, so lag ein Hauptgrund
darin, daß er dem ihm befreundeten
Bürgermeister von Freiburg zuliebe im
Sommer 4830 die Redaction des
Regierungsblattes übernommen hatte.
Weiß' Einwurf: „daß er doch ein
Großdeutscher, die Zeitung aber klein-
deutsch sei" widerlegte der Bürgermeister
mit dem kurzen Einwand: „Gerade des«
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weil-Weninger, Volume 54
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weil-Weninger
- Volume
- 54
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon