Page - 53 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Weninger-Wied, Volume 55
Image of the Page - 53 -
Text of the Page - 53 -
Werner. Gregor Joseph Merner, Gregor Joseph
sich die Musik nur. in den, Fesseln des
Contrapunktes bewegen konnte, nimmt
aber, von dem Standpunkte be«
trachtet, einen Ehrenplatz ein neben den
tüchtigsten Contrapunktisten seines Zeit»
alters. Seine mitunter ganz merkwür«
digen Werke bezeugen es, wie er aller
Spitzfindigkeiten des Contrapunktes Herr
war. Ioh. Nep. Fuchs, Haydn's
Nachfolger in der Fürst Sszterhäzy'-
schen Capelle, behauptete: „Man kann
leichter im Styl eines Händel, Bach
und Anderer schreiben, aber in dem Styl
eines Werner zu schreiben, wird Nie«
mand gelingen, so frappant sind oft seine
Gänge, seine Ausweichungen, so sonderbar
sein Eintreten einer Stimme; es gehört
oft eine Resignation dazu, einen Ton zu
halten, von dem man glaubt, er könne
durchaus nicht der rechte sein^ bis es die
Auflösung bezeugt, daß es der rechte
war." Man kann kühn behaupten, der
Sänger sei erst dann ein vollkommener
„Treffer", wenn er V?erner'sche Com-
Positionen richtig singe', gewiß wird sich
der erfahrenste Sänger nickt unge^wun-
gen bewegen. So ist es auch für den
Organisten eine große Aufgabe, Werke
Werner's zu spielen; man erzahlt sich,
daß sich derselbe sehr ärgerte, daß er
nichts schreiben konnte, was der damalige
Organist Novotni — zugleich Buch-
Haltereibeamter und naher Anverwandter
des bekannten Kirchencompositeurs N o»
votni — nicht gleich vom Blatte spielte.
Werner, der in Eisenstadt starb, liegt
auch daselbst begraben. Seine Ruhestätte
befindet sich auf dem sogenannten „alten
Friedhof" am Berg, und^wir theilen die
von ihm verfaßte gemüthliche Grabschrift
unten mit. Fast erscheint es uns auf«
fallend, daß der geistvolle W. H. Riehl^
in seinen mit so viel Sachkermtniß und
meisterhafter Kritik gezeichneten „Musi- l calischen Charakteiköpfen" sich unseren
Werner entgehen ließ, dessen Composi.
tionen d»en Stempel der Gediegenheit an
sich tragen, den gewandten Contra-
punktisten zeigen, dabei aber einen mit
origineller Künstelei verbundenen Humor
und eine für seine Zeit ganz beachtens-
werthe Erfindungsgabe bekunden, so daß
er in seiner Eigenart für eine ganz aparte
musicalische Künstlernatur anzusehen ist,
der kaum eine gleiche zur Seite gestellt
werden kann und also einen eminenten
musicaliscken Charaktcrkopf abgeben
würde.
Vtyeichniß der Werner'schen Compositionen:
») Gedruckte: „Der Wienerische Tandel»
markt". Für 4 Singst.. 2 Viol. und VaH. —
„Die Bauernrichterwahl". Für 3 Singst.,
2 Viol. und Baß; dieses und das vorige
Tonstück gestochen zu Augsdura untet dem
Titel: „Zwei neue und enralustige musica»
lische Tafelstücke". — «8ex Zz'iupkoiNÄe,
5LU»e<iu6 5on.itae: -pliai-es zil-o Camer»,,
^astci-ioreä pro (^»ZuUiä ULnrpn.u6.Ky:
k 2 'Viol. et ciavicemd.", gestochen zu
Augsburg. — „Neuer und sehr curios musi«
caliscyer Instrumentalkalender". Partienweise
(mit 2 Viol. und Vaß) in i'ä Iahresmonate
eingetheilt und nach eines Jedweden Art und
Eigenschaft mit Bizarreren und seltsamen
Erfindungen. Augöburg N48 in Nummern
gedruckt. Dieses ebenso eigenthümliche als
merkwürdig construirte Musikstück ist von
einer wunderlich komischen Charakteristik, so
ist die Jahreszahl i?4s durch e,'n Fugen«
thema auf die fortschreitenden Intervalle des
Einklanges i. der Septime 7, der Quarte 4
und der Octave s ausgedrückt; die Haupt«
motive eines jeden abgesonderten Satzes be«
zeichnen der Monate specifische Eigenthum«
lichkeiten, als Frost, Kälte, Schnee. Hitze.
Frühlingslust. Schlittenfahrten. Mummereien.
Erntesegen. Winzerfreude. Iagdlust u. d. m.
Die Menuette geben durch die verschiedene
Tactzahl in beiden Theilm den Wechsel der
Tages» uno NachtlänZe auf Minuten be»
rechnet an. und w'e geschickt diese Spielerei
ausgeführt, ist man kaum im Stande, die
künstlerisch maskirte Ungleichheit des Rhyth«
mus beim Anhören der natürlich fließenden
Cantilenen abzumerken. Nur diese vier Com»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Volume 55
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weninger-Wied
- Volume
- 55
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon