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Werner. Zacharias 79 Werner,
seinem im Sommer des verflossenen
Jahres niedergeschriebenen Testamente.
Im Uebrigen beschäftigte er sich in seinen
letzten Tagen vorherrschend mit Gebet
und war so in dasselbe vertieft, daß,
wenn er sich vorbeten ließ, was öfter
mehrere Stunden hintereinander dauerte,
weder ein Besuch, noch etwas Anderes in
seiner Andacht ihn zu stören im Stande
war. Seine letzten Augenblicke waren
leicht. Den Tag vor seinem Tode befand
er sich am Abend so gut und wohl, daß
er gar nicht zulassen wollte, daß Jemand
bei ihm wache. Der Diener, an welchem
die Reihe des Wachens war, saß am
17. Jänner zwischen drei und vier Uhr
Morgens, nichts Uebles besorgend, eine
geraume Weile an Werner's Bette, in
der Meinung, daß derselbe im Schluin»
mer liege, und verhielt sich ganz ruhig,
um ihn nicht zu wecken. Als er aber das
Athemholen völlig vermißte, rief er sofort
mehrere Personen herbei, und es fand sich,
daß der Leidende schon vollendet hatte.
Werner's Uebertritt zum Katholicismus
hat seinen Dichterruhm vhllig vernichtet,
und doch ist Werner als dramatischer
Dichter Goethe und Schiller eben-
bürtig. Seine Dramen find trotz ihrer
formellen Gebrechen Schöpfungen eines
gewaltigen Dichtelgeistes und wurden
nur von der protestantischen Kritiker»
clique Norddeutschlands mit Unrecht
zurückgedrängt. Daß er selbst Alles:
Wohlleben, Dichterruhm, Liebesglück für
eitel erklärte, nimmt ihm vom Dichter»
rühme, der ihm gebührt, kein Tüpfelchen;
im Gegentheile, Werner bleibt in der
Sturm- und Drangzeit der deutschen
Literatur immer eine ihrer hervorragend»
sten Größen. Wir haben in den Quellen,
um unsere ganze Unbefangenheit zu
wahren, die Urtheile jener Literaturhisto»
riker Deutschlands über ihn angeführt, die eben als Stimmfühcer in literarisä^n
Sachen zu gelten pflegen, wenngleich wir
beifügen müssen, daß wir ihnen ganz und
gar nicht in Allem beipflichten. Daher
lassen wir als Schluß dieser Skizze die
Worte eines Poeten folgen, der Werner
nahe steht, wenn ihn dieser auch um mehr
als Manneshöhe überragt. Wir meinen
Matthans von Col l in , der über un°
seren Poeten schreibt: „Wenn von Mysti-
cismus die Rede ist, wie er bei Werner
erscheint, wird man ihn berücksichtigen
müssen, weil er ernstlich und treu gemeint
ist. In diesem reich ausgestatteten Dichter
findet sich das Bestreben, über das Gege»
bene und Willkürliche hinweg zu gehen
und die eigentliche Handlung in eine
fremde, geistige oder wunderbare Welt zu
versetzen und in so vollem Maße, daß,
seit dramatische Kunst besteht, ein Ver»
such dieser Art nicht unbekümmerter ge«
wagt worden. Ebenso bezeichnend ist das
Gewicht, welches er auf einzelne Cha>
raktere legt, um das Ganze darüber zu
vernachlässigen. Wer darf aber leugnen,
wenngleich seine dramatischen Dich«
tungen mehr, als die irgend eines an-
deren zum Dichter wirklich geweihten
Zeitgenossen, die Schwäche der Zeit ver»
rathen, daß er durchaus nur in einem
edlen Streben um die Kunst bemüht ge«
wesen und auch gewohnt, Außerordent«
liches zu leisten! Die Hauptvorwürfe,
die man ihm machen kann, sind, dap seine
dramatischen Figuren nur als Mittel
irgend einer mystischen Anschauung
dienen, die ihrer Natur an sich fremd ist'
daß er ferner in der Anwendung der
Mystik vorzüglich darin fehlte, daß er die
Dunkelheit aufsuchte, um in ihr mit Lust
unterzutauchen, wahrend der Mystiker
im wahren Sinne des Wortes, dem die
Welt ein Unbegriffenes ist, über welches
ihm das ewige Licht in ahnungsvoller
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Volume 55
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weninger-Wied
- Volume
- 55
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon