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Mertheim, Theodor Merthcim. Theodor
aber ebenso eifrig als Lehrer wie als
Forscher in Ungarns Hauptstadt wirkte,
bereiteten sich, wie sein Biograph be-
merkt, in Ungarn jene beklagenswerthen
politischen Zustände vor, welche auch die
Entfernung so vieler ausgezeichneter
deutscher Professoren von der Pesther
Universität und anderen Lehranstalten
des Landes zur Folge hatten. Aus diesen
politischen Zuständen erwuchsen nicht nur
Ungarn, sondern auch der ganzen Mon»
archie große Nachtheile. Die von ruhig
Denkenden vorausgesehenen Befürchtun»
gen hat die Erfahrung vollkommen be»
stätigr; Alles litt darunter, und die Ge-
schichte hat dorüber geurtheilt. Der Irr»
glaube, man handle im Interesse irgend
eines Landes oder einer Nationalität,
indem man die Männer der Wissenschaft,
weil sie einer anderen Nationalität, in
diesem Falle der deutschen angehörten,
von der überdies Magyaren und Slaven
nicht nur die Elemente der Wissenschaft,!
sondern überhaupt alles geistige Eigen- >
thum, das sie besitzen, erworben haben.!
in eine Lage versetzt, in der ihnen nickts!
übrig bleibt, als ihre Stellen aufzugeben
Politische Bewegungen, die von Ratio
nal'ltätsdestrebungcn ausgehen, sind nicht >
Ergebnisse ruhiger UeberleguuZ, sondern!
der Leidenschaft und durch Fanatismus
getrübter Anschauungen. Gerade die
Nissenschaft war es immer und ist es, !
welche einzig und allein das geistige
Band zu bilden vermag. Stämme, welche
durch die Kirche, Geschichte und Natio
nalität (Sprache) getrennt sind. einer
höheren Einigung zuzuführen und über»
Haupt Unterschiede auszugleichen, die
dem wahren Fortschritte nur hemmend
entgegenstehen. Auch Wert heim wick
den damals so hoch gehenden Wogen
der Parteiagitation und kehrte nach Wi.'u !
zurück, wo er wahrend der Jahre und 18ttt verblieb, bis er die Lehrkanzel
der Chemie an der Universität in Gratz
erhielt. In dieser Stadt, wo der bis
dahin so wenig begünstigte Gelehrte die
ersehnte Ruhe fand, gab er sich ganz
seinem Doppelberufe als Lehrer und
Forscher hin. Daselbst arbeitete er seine
Beitrage zur Kenntniß des Coniins
aus, entdeckte das Azoconydrin, das
ssonylin, setzte seine Untersuchungen
über das Piperioin und Nicotin fort,
worin er von der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften mit einer ansehnlichen
Summe unterstützt wurde. Diesen For^
schungen und Arbeiten aber steckte ein
leider unheilbares Siechrhum, das ihn
j8t>4 befiel, eine Grenze. Im Mai
genannten Jahres übersiedelte er, bereits
schwer leidend, mit seiner ganzen Familie
nach Wien, ivo aber auch die gesteigerte
Pflege im Hause seines Bruders das
Uebel nicht zu bannen vermochte. Erst
44 Jahre alt, erlag er demselben. Seine
wissenschaftlichen Arbeiten sind in ge-
lehrten Sammelwerken erschienen und
zwar in den Sitzungsberichten der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
mathe maci sch - naturwissenschaft>
l ich er Classe: „Ueber das Piperin"
^Bd. I, S. 433); — „Ueber das Chi-
nin" M . I I I , S. 263); — .Ueber
eine neue flüchtige organische Basis"
sBd. IV) S. 8 und 33). — „Ueber das
Narkotm" M . VI. S. l(>9); — „Ucber
ein neues Alcaloid im Oonium maeult^
wm" I M XXII, S. 113^; — „Ana>
lyse des Franz Iosephs-Bades Tüffer in
Unter^Steiermark" fBd. Xl. I I , S. 47?
und 479); — «Beiträge zur Kenntniß
des Coniins" ^Bd. XI.V. 2. Abthlg..
L. 3l2 und Bd. XI^VIII. 2. Abthlg.,
S. 49l)', — „Beitrage zur Kenntniß
des Piperidins" s^üd. XI.VII, 2. Ab-
theilung, S. 122); — .Nähere Mit«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Volume 55
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weninger-Wied
- Volume
- 55
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon