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Karl 2l>3 Widmann, Karl
er die Schulen zumeist daselbst, dann
nach Versetzung des Vaters nach Prze-
mysl auch in dieser Stadt und seit 1833
in Lemberg, wo er 1843 an der Univer-
sität die Rechtswissenschaften beendete
und zunächst, dem Staatsdienste sich zu-
wendend, als Practicant beim Fiscal-
amte eintrat. Dabei verachlässigte er
aber nicht seine literarifchen Uebungen,
wie er sie aus den Knabenjahren gewohnt
war, und veröffentlichte bereits 1843 in
einem Sammelwerke, welches damals
Wladislaus Z a w a d z k i unter dem
Titel „^Väowi Fros?", d. i. Der Gro-
schen der Witwe, herausgab, kleinere
ästhetische Artikel in der Form von
Briefen. Wie im Knaben, so entwickelte
sich im Jünglinge der glühende Patrio-
tismus immer mächtiger, und derselbe
ward damals schon von der Polizei
beobachtet, wenngleich wegen der höheren
Stellung, die sein Vater bekleidete, nach-
sichtiger behandelt. Als im Jahre 1840
die heimlichen Umtriebe der polnischen
Umsturzpartei entdeckt und bei dieser Ge»
legenheit Smolka, Ziemiatkowski
und noch viele Andere verhaftet wurden,
bemerkte der damalige Gubernialpräsi-
dent Freiherr von Krieg gegen den
Gubernialrath Widmann, daß dessen
Sohn Kar l stark in die demagogischen
Umtriebe verwickelt sei. Charakteristisch
erscheint es nun, daß über diese von
seinem Präsidenten ausgesprochene Wahr-
nehmung der Vater dem Sohne gegenüber
nicht eine Sylbe äußerte, daß von dieser
Denuntiation Letzterer nur Kenntniß er»
hielt aus dem Munde der Mutter, welche
aber — eine echte Polin — ihm darüber
nichts weniger als Vorwürfe machte,
sondern ihn vielmehr in seinem Vorhaben
bestärkte. Doch blieb die Sache nicht
ohne Folgen. Anläßlich dieser Entdeckung
fand in der Wohnung des Gubernial- rathes eine Hausdurchsuchung statt. Der
Sohn wurde in Haft genommen —
wenngleich nur uuf die Dauer von
24 Stunden — aber es war genug, um
ihm auf der eingeschlagenen Beamten-
laufbahn ein für allemal die Zukunft zu
verschließen. Die Ereignisse des Jahres
!848 riefen nun den damals 27jährigen
Widmann auf die politische Arena. (5'r
gab den Staatsdienst, in welchem ibm
ja doch trotz der von seinen Vorgesetzten
anerkannten trefflichen Begabung und der
hervorragenden Talente keine Zukunft
blühte, vollends auf und wendete sich
ausschließlich der Publicistik zu. Auf das
Anerbieten eines Lemberger Verlegers
begründete er in Gemeinschaft mit Jo-
hann Zacharjasiewic;, einem für
seine wegen politiscber Umtriebe auf
der Festung Iosephstadt ausgestandene
Haft als Märtyrer seines Volkes ange«
seh'enen und reich begabten jungen Polen,
die polnische politische Zeitung ^?oät^",
d. i. Der Fortschritt. I n diesem Blatte
sprach er ganz offen und unumwunden
sein politisches durch und durch demo-
kratisches und föderalistisches Programm
aus, welches er dann aucb in seinen
publizistischen Artikeln festhielt. In dem»
selben Jahre versah er überdies noch die
Stelle eines Vorstandes des akademischen
Comitüs in Lemberg. Als aber nach Be-
wältigung der Bewegung die Herrschaft
des Gesetzes wieder Platz gegriffen und
die Zeitung „ro3top" aufgehört hatte
zu erscheinen, wurde Widmann in Ge-
meinschaft mit Eugen Chr^stowski,
Heinrich Suchecki und Johann Za
ch
a-
rjiasiewicz Redacteur der „(3ll.xet<i,
x0ns26QknH", d. i. Allgemeine Zeitung,
welches neue Blatt jedoch nur einige
Wochen lang sein Dasein fristete, indem
es mit dem Tage des denkwürdigen
Bombardements der Stadt Lemberg
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Volume 55
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weninger-Wied
- Volume
- 55
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon