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Milhelmi 179 Wilhelmi
lebendig!"" Nicht etwa, daß er mit
Späßen und Witzen oder sonstigen Extra-
vaganzen um
sich geworfen hatte. Durch»
aus nicht. Seine pulsirende Lebensfrische
war so kräftig, sein Ton war so ehrlich,
wahr und unmittelbar, daß Jedermann
sympathisch von ihm angemuthet wurde
und angeregt. Er ging stark ins Zeug
und übertrieb doch nicht. Seine Natur
war eben stark, und deßhalb standen ihm
auch verwegene Aeußerungen und Wen»
düngen harmonisch zu Gesicht. Alles das
sind Eigenschaften eines Naturalisten.
War er also, weil sein Naturell die
Hauptsache war, weniger Künstler?
Das erscheint mir ihm gegenüber fast wie
eine müßige Frage.... Bleistiftzeichnung
und gelehrte Raisonnements waren aller»
dings Wilhelmi's Sache nicht, und er
taugte auch nicht für feinere geistige Auf'
gaben. Aber er war ein verständiger
Mann, der klar und sinnvoll an seine
Rolle ging und die Grundbedingungen
derselben organisch auffaßte. Innerlich
Unzusammenhangendes konnte er gar
nicht brauchen, und wenn sich der Rolle
kein lebendiger Odem abgewinnen ließ,
da erklärte er einfach — und nicht ohne
Leidwesen, denn er spielte sehr gerne —
sein Unvermögen für solche Aufgabe. Zu
seinem Verstande hatten ihm Natur und
Erziehung ein feines edles Gefühl ver-
liehen, welches ihn oft ganz zarte Mittel-
töne finden ließ in schwierigen oder deli>
caten Situationen. Kurz, er war ein
künstlerisches Naturell, welches nicht
mit Theorien, wohl aber mit ganz guten
geistigen Mitteln an die Composition
seiner Gebilde ging. Solche Talente des
Naturells gehören ganz ihrer Zeit an.
Sie erwachsen ganz aus den Gewöhn»
heiten ihrer Zeit und werden leicht alt-
modisch, wenn sie an die Grenzscheide
von Zeitepochen gerathen. Der Geist ist dauernder als die Sitte. Und so kann
man zugeben, daß die Figuren, welche
W i l h e l m i trefflich darstellte, von
Kotzebue.Iffland'scherFactur waren,
daß diese Figuren allmalig ausgegangen
find und die heutigen Gestalten anders
geartet, in ihren Wendungen geistiger
sein mögen. Damit kann man sich ein
wenig trösten. Aber dabei bleibt es doch
höchst wünschenswerth, daß wir Wil»
helmis fanden zum Ausdrucke für
unsere heutige Art. Denn aus lauter
Geist bestehen wir auch nicht, und die
Kunst bleibt immerdar Fleisch und Blut/
So schreibt Laube über Wilhelmi den
Künstler. Aber auch über Wilhelmi
den Menschen bringt er Einiges. „So
war Wilhelmi", wie er schreibt, „für
den Director ein wahrer Schatz. Nicht
bloß wegen seines Fleißes und seiner
Hingebung an die Scene, auch wegen
seiner persönlichen Haltung. Es war
kein egoistisch'komödiantenhafter Zug an
ihm, er blieb jeder Klatscherei und In»
trigue fern und zeigte volles Interesse
am Gedeihen des Institutes. Nach jedem
neuen Stücke kam er zu mir, stets im
blauen Frack mit blanken Knöpfen und
mit aller Feierlichkeit einer Staatsvisite,
um sich gleichsam zu bedanken für die
neue Inscenesetzung, wie für Etwas, waS
dem Theater und den Schauspielern zur
besonderen Ehre angethan worden. Er
verleugnete nirgends die guten Manieren
eines kleinen Edelmannes. In Wil»
h elmi's ersten Jahren waren Charakter-
und chargirte Rollen sein Hauptfach-
als er aber in das Fach der Väter über-
ging, brachte er mit einfacher kerniger
Wahrheit oft überraschende Wirkungen
hervor. Der alte Capulet in „Romeo
und Julie", Mül ler Reinhold in
«Der Müller und sein Kind", Präsident
Walter in „Cabale und Liebe", dann
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Volume 56
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wiedemann-Windisch
- Volume
- 56
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon