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Millemer 483 Miüemer
reits die Mutter mit Anfertigung von
Stickereien. Um diese Zeit lernte sie auch
den Balletmeister Traub kennen, der sie
für die Bühne vorbereitete und ihr auf
seine Kosten noch einigen Sprachunter'
richt ertheilen ließ. Mit Traub's Truppe
begab sie sich ku.^ vor Weihnachten 1798
— 44 Jahre alt — nach Frankfurt
a. M. Auf dem Frankfurter Theaterzettel
finden wir ihren Namen zum ersten
Male am 26. December 4798, wo „Das
unterbrochene Opferfest", Oper von
Winter, gegeben wurde und es im
Personenverzeichniß heißt: „Sira (Ge>
spielin Myrrhas), Demoiselle Jung".
Indeß war Marianne bestimmt vor
diesem Datum in Ballets und Diver-
tissements aufgetreten, bei welchen jedoch
die Mitwirkenden nicht namentlich ver-
zeichnet wurden. So hatte sie mehrere
Male den aus dem Ei hervorkriechenden
Harlekin gespielt, ein andermal kam sie
aus einer Blume heraus, und einmal
flog sie sogar aus einer Kanone. Vielen
Beifall erntete sie als Adolf in der
Oper „Camilla" von Pasr und als
Titania im „Oberon" von Wra>
nitzky; daneben trat sie in den damals
beliebtesten kleinen Lustspielen von Iün-
ger und von Kotzebue auf und gewann
durch ihre Anmuth die Gunst des Publi»
cums. Auch finden wir sie in dem zu
jener Zeit sehr beliebten Trauerspiele
,Fust von Stromberg", von Jacob
Maier aus Mannheim, beschäftigt, wel>
ches Stück wegen seiner bitteren Feind-
seligkeiten gegen die Klostergeistlichen be»
sonders beliebt war; sie spielte darin den
Küchenjungen. Im April 1799 gab
sie in I f f land's „Herbsttag" die Ern e-
stine Selbert und im Mai desselben
Jahres in der Operette „Die kleinen
Matrosen" die französische Päch-
terstochter. Um diese Zeit stand der Banquier Wille mer (geb. 19. Mai
1739) in der Reihe der ansehnlichsten
Bürger Frankfurts. Ein fein gebildeter
und sehr unterrichteter Mann, der mit
berühmten. Gelehrten und Schriftstel«
lern, so mit Hegel, Hölderlin,
dem Geschichtsschreiber Schlosser
und Anderen in Freundschaft verkehrte,
selbst schrieb und mehrere seinerzeit nicht
unbeachtet gebliebene Werke herausgab,
interessirte er sich auch für die Bühne
und wurde 1800 durch die Wahl der
Actionäre Mitglied der Oberdirection des
Frankfurter Nationaltheaters. Bald nahm
er an Mariannens Lebensgang ebenso
als Kunstfreund wie als Philanthrop
lebhaften Antheil. Noch in demselben
Jahre begann er mit der Witwe Jung
Unterhandlungen, welche zum Zwecke
hatten, die damals sechzehnjährige Kunst-
lerin der Bühne zu entziehen. Sie sollte,
von den Verführungen, denen ihr Stand
und ihre reizende Persönlichkeit sie aus»
setzten, nicht länger bedroht sein. Wir
werfen nun einen kurzen Blick auf Nil«
lemer's häusliche Verhältnisse. Der»
selbe war in jungen Jahren in seines
Vaters Bankgeschäft getreten, dessen
Theilhaber er 1776 wurde. Am 2. Fe<
bruar 1781 vermalte er
sich
mit Maria
Magdalena Lang. Am 12. November
1792 starb seine Frau, wie es allen An-
schein hat, infolge des Schrecks über
ihres Mannes durch die Franzosen vor»
genommene Verhaftung, obgleich die-
selbe nur einen Tag dauerte. Aus dieser
ersten Ehe hatte Willemer, der seit
1789 Senator im Rathe war, drei
Töchter, Rosine, Amalie, Marimi»
liane; drei Vierteljahre nach dem Tode
seiner Frau verheiratete er sich am
6. August 1793 mit der Tochter seines
Affociäs Abraham Chiron. Diese, auf
dem Cap der guten Hoffnung geboren,
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Volume 56
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wiedemann-Windisch
- Volume
- 56
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon