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Millemer 183 Millemer
Andrea's Gattin; der Sohn Avra-
ham — in der Familie Bcamy ge-
nannt — weilte wenig im Vaterhause,
und im Jahre 1814, in welchem Ma-
rianne heiratete, trat er ins Freiwilligen«
corps ein. Ihr Verhältniß zu dem um
zehn Jahre jüngeren Bramy war stets
dus unbefangenste. Doch wurde in einer
Schrift: „Goethe und das Nrbild^seiner
Suleika" auf das Gegentheil hin«
gedeutet. Marianne selbst aber be«
merkte, daß diese bedauernswerthe Hin»
deutung auf einem Irrthum beruhe. I n
die Familie Willemer lebte sich die
Aufgenommene bald ein. Im Zeichnen
hatte sie sich unter dem schon genannten
Schütz herangebildet, in Gesang und
Tonkunst erhielt sie von guten Mei-
stern trefflichen Unterricht. Im Verkehre
mit congenialen Geistern, in welchem sie
zwanglos sich bewegte, gewann sie selbst,
und namentlich war von tiefgehendem
Einstuffe ihr wenngleich nur kurze Zeit
dauernder persönlicher Umgang mit der
berühmten Sängerin Milder'Haupt-
mann Mand VIII , S. 73 und Band
XVIII, S. 308^. Im Uebrigen verstand
sie, ein heiteres und sinniges Mädchen,
das äußere Dasein durch Kunftübung zu
verschönern, eine Fähigkeit, welche sich
bei ihr mit dem zunehmenden Alter noch
steigerte und namentlich bei der Greisin
auf das liebenswürdigste hervortrat.
Außer den erwähnten Kunstfertigkeiten
im Zeichnen und Singen besaß sie die
Gabe, getrocknete Blumen auf starkes
Papier geklebt in die zierlichsten Kranze
zu formen. Zu gleicher Zeit entwickelte
sich aber bereits damals ihre hohe dich»
terifche, zunächst lyrische Begabung,
welche ihrem Namen den Platz an der
Seite des deutschen Dichterheros sichert,
in dessen Leben sie selige Stunden ge-
zaubert. Das älteste Gedicht Marian- ! nens, welches sich erhalten hat, stammt
aus dem Jahre 1810, also als sie bereits
26 Jahre alt war. Aber fast Alles, was
aus dieser Zeit von ihr vorhanden, ist
Gelegenheitsdichtung, doch in Bezug auf
Innigkeit und Frische im Denken und
Fühlen, auf Abrundung, Nettigkeit und
Wohllaut im Ausdruck wird sie von
keiner deutschen Dichterin übertroffen.
Zu jeder Sendung hatte sie einen Be«
gleitvers und brachte bis in ihr sechzigstes
Lebensjahr die schönsten Toaste aus.
Im Jahre 1810 machte sie mit Wille-
mers eine Reise nach Italien, in Rom
! traf sie mit Zacharias Werner zusam»
men, den sie übrigens schon 4803 in
Frankfurt kennen gelernt hatte, wo er in
Wil le mer's Hause gastliche Aufnahme
fand. Die Beziehungen des Banquiers
Willemer zu Goethe reichen in die
Achtztger>Iahre des vorigen Iahrhun»
derts; näher traten sich beide Männer
1808 und 1813. Am 18. September
1814 betrat Goethe zum ersten Male
Wille mer's Landsitz, die Gerbermühle.
Mit 1813 beginnt aber bereits fein
innigerer Verkehr mit der Familie Wil-
lemer und spricht sich in hausigeren
Briefen an Willemer den Vater, an
deffen verwitwete Tochter Rosine Stae«
del und in Briefen aus, welche gemein»
schaftlich an die beiden Gatten Wil-
lsmer und Marianne gerichtet sind,
denn seit 27. September 1814 war Letz»
tereWillemer's Gattin. Der erste Brief,
den Goethe an den Banquier und
dessen Frau zugleich richtet, ist vom
26. October 1813, am 13. November
desselben Jahres folgte ein zweiter. Nun
dauert der Briefwechsel mit beiden Ehe»
gatten, mit Rosine Staedel, dann mit
Marianne, der besonders im Jahre
1830 seinen Höhenpunkt erreicht, bis
zum 23. Februar 1832 fort, an welchem
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Volume 56
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wiedemann-Windisch
- Volume
- 56
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon