Page - 206 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Wiedemann-Windisch, Volume 56
Image of the Page - 206 -
Text of the Page - 206 -
Milt, Marie 206 ^ Marie
abzustehen und nach London zu gehen.
Dort aber wurde ihr Auftreten am
1. Mai 1866 geradezu ein Ereigniß. Sie
hatte ihren Namen Wi l t in Vi lda ver-
watscht und war in der Partie der
Norma zum ersten Male aufgetreten.
Man Nuß die damaligen Londoner Alät-
ter, z. B. die tonangebenden /snnks",
lesen, welche schreiben, daß Vilda's
Stimme eine der glänzendsten sei, die
man seit Jahren gehört habe. Man
stellte ihren Namen an die Seite einer
Grisi und Lind, und bald ward die
gefeierte Sängerin von Anträgen über-
schüttet, welche ihr von allen großen
Bühnen in Frankreich, Spanien, ja
Amerika gemacht wurden, welche sie
jedoch alle ablehnte, um an deutschen
Bühnen wirken zu können. Vorläufig
nahm sie nur ein Gastspiel in Venedig
an, wo sie im November 4866 achtmal
sang. Aber bei der scandalösen Theater-
zucht daselbst, welche der sittlichen deut-
schen Primadonna sozusagen das Athem
holen erschwerte, fand sie sicb im höchsten
Grade unbehaglich; dazu kam noch ein
längeres Unwohlsein, und das veranlaßte
sie, einen bereits früher abgeschlossenen
Vertrag mit Mailand aufzulösen und
nach Wien zurückzukehren. Dort begann
sie am 8. März 1867 als Leonore im
Verd i'schen „Troubadour" unter keines
wegs günstigen Auspicken ihr Gastspiel.
Als sie auftrat, regte sich keine Hand;
keine Claque, keine Camaraderie hatte
vorgearbeitet und ihr die schlüpfrigen
Wege mit Rosen bestreut. Aber mit
jedem neuen Acte feierte bie Sängerin
neue Siege und zuletzt einen Triumph,
wie ihn nur die berühmtesten Sängerinen
vor ihr errungen, aber ohne fremdes Zu»
thun. nur durch die eigene Kraft. Dieses
Gastspiel führte zum Engagement der
Künstlerin, durch welches die Wiener Hofoper eine Kraft gewann, wie sie in
diesen Regionen der Kunst nicht häufig
vorkommt. Sie sang noch als Gastrollen
die Donna Anna und die Norma.
Im Sommer 1868 gastirte sie in Frank»
fürt a. M. und in Mannheim, 1869 in
Prag. überall mit gleich glänzendem Er-
folge; im April 4869 wurde ihr die Aus-
zeichnung zutheil, zur k. k. Kammer-
sängerin ernannt zu werden. 1872 ward
das Engagement an der Hofoper er»
neuert und währte bis zum Frühjahre
1878. Im März dieses Jahres nahm sie
Abschied von der Wiener Hofoper, und
derselbe gestaltete sich, wie die „Presse"
vom 18. März nämlichen Jahres meldet,
geradezu zu einem Ereigniß. Ihr Schei-
den von dieser Bühne wurde mit einem
Familienproceffe in Verbindung gebracht,
welchem zufolge sie sich verpflichtet haben
sollte, nicht mehr in Wien öffentlich zu
singen, widrigenfalls sie eine Summe
von 100 000 st. Conventionalstrafe be>
zahlen mußte. Man log damals in den
Wiener Blättern über diese Angelegen-
heit so viel zusammen, daß wir nichts
thun können, als mit Nebergehung der
uns vollkommen unbekannten Ursachen
die Thatsache zu berichten, daß Frau
Wi l t ihre Verbindlichkeiten in Wien ge»
lost. Gin mit dem Director des Ham-
burger Theaters Pol l in i bereits abge»
schlossener Vertrag wurde mit beider»
seitigem Einvernehmen noch im letzten
Augenblicke rückgängig gemacht, und nun
schloß die Künstlerin mit dem Opern»
director Neumann für Leipzig ab, wo
sie vom 1. September 1878 bis Mitte
1879 sang, dann aber jedes feste Enga»
gement ablehnend, verwerthete sie nur
noch auf Gastspielreisen ihre großartige
Stimme. Das Repertoire, über welches
die Künstlerin verfügt, ist ein ebenso
merkwürdiges als reiches. Ihre Glanz-
back to the
book Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Wiedemann-Windisch, Volume 56"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Volume 56
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wiedemann-Windisch
- Volume
- 56
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon