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Mindisch-Grätz, Joseph Niclas ß
zu mathematisch bestimmten Wissenschaften
zu erheben und auf die festesten Grund'
sätze zurückzuführen. Die erste Schrift,
die man von ihm kennt, ist ein Programm
von 1783, worin er aus eigenen Mitteln
einen Preis von !000 und einen zweiten
von »00 Ducaten auf die Losung des
Problems setzte: „Contractformeln zu
entwerfen, die gar keiner doppelten Aus-
legung fähig wären, und vermöge deren
jeder Streit über irgend eine Eigen-
thums Veränderung unmöglich würde, so
daß über eine nach diesen Formeln ab-
gefaßte Rechtsurkunde durchaus kein
Proceß entstehen könnte". Der Graf
stand mit einigen der berühmtesten Ge«
lehrten in Deutschland, Frankreich und
Italien in schriftlichem Verkehr, unter
andern auch mit dem Königsberger Phi-
losophen Kant und dem berühmten
Secretär der Pariser Akademie der
Wissenschaften Condorcet. Mit Letz-
terem war er derselben Meinung, daß
sich alle Gegenstände des Denkens auf
den Calcul müßten zurückführen lassen
und auf diese Weise fest und mathematisch
zu bestimmen seien. Diese Ueberzeugung
brachte ihn zu der erwähnten Aufgabe,
von deren Lösung er sich das Grab aller
Chicane und das Ende aller Processe
versprach. Daher legte er dem ganzen
Europa diese wichtige Frage vor und
erbat in dem Programm die Pariser, die
Edinburgher und noch eine deutsche Aka»
demie zu Schiedsrichtern darüber. Er
veranstaltete davon eine lateinische Ueber-
setzung und verbreitete diese nicht nur in
Wien, sondern auch in England und
Italien. Schon waren die ansehnlichen
Preisgelder bei dem Banquier Smit«
mer in Wien niedergelegt und die Pro»
gramme veisendet, schon hatten sich die
Pariser Akademie der Wissenschaften, die
königliche Gesellschaft zu Edinburgh und 4 Mindisch-Grätz, Joseph Niclas,
die Baseler Universität zur Uebernahme
des Urtheils über die Preisschriften bereit
erklärt. Doch die Termine 1787 und
1790 verstrichen, ohne daß irgend ein
Auflösungsversuch erschien, nur einige
Gegenschriften kamen in Wien zum Vor-
schein. Von einem einzigen Manne, einem
schwedischen Mathematiker, Namens Tor«
ner, weiß man, daß er sich mit Lösung
dieser Aufgabe oder vielmehr mit'den
Präliminarftagen dazu beschäftigt hat.
Die übrigen Schriften des Grafen I o«
seph Niclas sind .folgende: „Vetrüch-
tnngen über uerZchieörne Gegenstände, worüber
man heute Zehr uiel schreibt" (Nürnberg
1787)' — „Oö/ssi^ns 6M»
>« (I^onäon 1788); — „2
68/
K>»'«m/s" 1789); —
?-s//s" swar als eine Fortsetzung des
vorigen Werkes bestimmt, scheint aber
nicht im Drucke herausgekommen zu
sein); — n-^s /'Hms, c?s ^«'n^/^s^es
1799). Noch geben seine Hand»
schriftlichen Materialien den Titel an
von einer Schrift: „As /a Fsl'ns c?s
?/ic>?i? 6^ tis /^ zfc>?-i«5'6", ohne zu be»
stimmen, ob sie gedruckt worden ist. Am
stärksten aber offenbarte sich sein Hang,
das Ungewöhnliche zu denken, mit be°
wunderungswürdigem Muthe Hand an
die Ausführung zu legen und sich dabei
über die Urtheile der spöttelnden Kritiker
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Volume 57
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Windisch-Wolf
- Volume
- 57
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon