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Mirer von Nettenbach 1
Iosephsakademie in Wien fort, erlangte
4799 daselbst das Doctorat aus der
Chirurgie und im folgenden Jahre an
der Hochschule jenes aus der Arzenei-
Wissenschaft. Durch den Besuch der ver«
schiedönen Spitäler Wiens ward er bald
mit den ersten Aerzten der Residenz, mit
Adam Schmidt, Peter Frank, Clos-
set und Anderen bekannt, mit mehreren
derselben befreundet. Allmälig wuchs
sein Ruf als praktischer Arzt, und man
berief ihn in die hohen, ja höchsten
Kreise. Er wurde berathender und ^eib-
arzt mehrerer Mitglieder des ah. Kaiser-
Hauses, so des Erzherzogs Joseph Pa-
latin, des Erzherzogs Rainer. Mit
seinem ärztlichen Berufe aber verband er
den allerort helfenden des Humanisten,
indem er, wo sich ihm Gelegenheit dar-
bot, Anstalten fĂĽr die arme und leidende
Menschheit anregte und mitbegrĂĽnden
half. Als er dann 182! zufällig eine
Vereisung Oberösterreichs und des Salz-
kammergutes unternahm, erkannte er
sofort, daß sich Ischl zu einer Sool»
badüanstalt eigne, und rief eine solche —
die erste in Oesterreich — ins Leben,
wobei er, pecuniäre Opfer nicht scheuend,
die regste Thätigkeit entfaltete und Alles
that, was den raschen Aufschwung des
kaum ins Leben gerufenen Kurortes för°
derte. Welche Aufgabe er aber dabei zu
losen hatte, dafĂĽr spricht nur die eine
Thatsache, daß im Jahre 1822, in wel»
chem er die ersten Curgäste nach Ischl
sendete, die Zahl derselben sich auf 40
belief, während schon die Curliste des
nächsten Jahres die kaum glaubliche Zahl
von tO.Wl) Fremden und Curgästen
auswies. Dazu trugen aber vornehmlich
die trefflichen von ihm unmittelbar ins
Leben gerufenen hygienischen EinrichtuN'
gen bei, wie die Soolenbadeanstalt, die
M u r i a t t i'schen Dampfbäder, diä^ l ! Wirer von Nettenbach
Schlammbäder, die Anstalt zur Berel«
tung guter Gebirgsmolke und frischer
Kräutersäfte, die Schwimm- und Bade-
anstalt in der Ischl, die Ginrichtungen
für Körpergymnastik, die von ihm auf
eigene Kosten in Ischl und dessen nächster
Umgebung hergestellten Spaziergänge
und öffentlichen Garten, an welche Ein-
richtungen sich die humanitären einer
Kleinkinderbewahranstalt, dann einer fĂĽr
alle Zeiten reich dotirten Spinnschule und
eines mit den entsprechenden Mitteln
ausgestatteten Fremdenspitals anreihten.
Indessen blieb, während er für die
Badesaison in Ischl eine so segensreiche
Thätigkeit entfaltete, sein Wirken in
Wien, wo er lebte, nicht minder erfolg-
reich. Indem wir auf seine im Ganzen
weniger belangreiche schriftstellerische
Thätigkeit später noch zurückkommen,
gedenken wir nur des von ihm zur
Cholerazeit ins Leben gerufenen wissen»
schaftlichen Vereines der Aerzte, dessen
Mitglieder ihre Beobachtungen, Ersah«
rangen und Ansichten ĂĽber die damals
ebenso dunkle als verheerende Seuche
gegenseitig austauschten; und wenn seine
nach dieser Richtung entfalteten BemĂĽ-
hungen infolge der Verhältnisse jener
Zeit eben weniger Erfolge aufweisen, so
wurde er doch später der eigentliche
Schöpfer und rastlose Beförderer der
noch heute bestehenden k. 'k. Gesellschaft
der Aerzte in Wien. Als Präses dieses
Vereines war er auch die belebende Seele
desselben, richtete die verschiedenen See«
tionen ein, hielt Vorträge oder wohnte
solchen in dm einzelnen Sectionen bei,
förderte die mannigfaltigen Verhandlun»
gen, veranlaĂźte im allgemeinen Kranken-
hause die Herstellung eines eigenen Labo»
ratoriums zu dem wichtigen, in die
Krankheitslehre tief eingreifenden Zwecke
der näheren Untersuchungen krankhafter
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Volume 57
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Windisch-Wolf
- Volume
- 57
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon