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MiSMiemski/Michllel I39 i^ Michael
loszureißen. Nun, so sehr auch Tys'
sowski sich Mühe gab, die Bewegung
in ordentlichen Fluß zu bringen, so fand
er doch bald in nächster Nähe eine Gegen-
partei, und das alte berühmte polnische
Spiel — daß jeder nur befehlen und
keiner gehorchen will — begann auch da
wieder. Sofort bildete sich diese Gegen-
partei, welche wider Tys sowski auf-
trat. und an der Spitze derselben standen
Professor Michael Wiszniewski und
Hilar Meciszewski sBand XVII ,
S. 229^, welche sogleich eine Gegenrevo-
lution beschlossen. Wiszniewski's An-
hang bestand meistens aus Männern
des Schulfaches und Studenten. An
ihrer Spitze drang Wiszniewski Nachts
um 2 Uhr in das Zimmer des Dictators
Ty sso wski und klärte diesen über die
Wünsche der Nation und seine eigenen
in ziemlich unsanfter Weise auf. Als
derselbe einige Worte, wie Rebell und
Iandesverräther. fallen gelassen, setzte
ihm Wiszniewski's Sohn, Adam,
eine Pistole an die Brust und unterbrach
mit diesem wirksamen Gegenmittel den
weiteren Redestrom Tyssowski's, der
nun seine Dictatur niederlegte, aber die«
selbe sofort wieder aufnahm, als er seinen
Gegendictator im Rücken hatte. So er»
freute sich der alte Freistaat Krakau des
besonderen Glückes, mit einem Male zwei
Dictatoren der Revolution statt der bis»
herigen einheitlichen Regierung zu be»
sitzen. Aber auch diese Doppeldictatur
Tyssowski's und Wiszniewski's
war von kurzer Dauer. Benedek eilte
mit seinen Truppen von Lemberg herbei.
Wiszniewski selbst aber war wieder
von den Demagogen in kürzester Zeit ge»
zwungen worden, seine Dictatur nieder»
zulegen und hatte, als die kaiserlichen
Truppen nahten, nichts Eiligeres zu
thun, als in der Flucht seine Rettung zu suchen. Nachdem die gesetzliche Ordnung
wieder hergestellt war, kehrte er wohl
nach Krakau zurück, aber seines Bleibens
war nicht mehr lange, er packte schon
nach einiger Zeit alle seine Habe zusam-
men und verließ Krakau und Galizien
für immer. Er übersiedelte nach Italien,
lebte anfänglich einige Zeit in Mailand,
später in Genua, wo er allen literarischen
und wissenschaftlichen Arbeiten entsagend,
sich ganz dem Finanz- und Bankgeschäft
widmete und mit seinen Speculationen
ein ansehnliches Vermögen erwarb. Als
er aber bei der Bankkrisis 1838 wieder
einen ansehnlichen Theil desselben ein-
gebüßt hatte, nahm er seinen bleibenden
Aufenthalt in Genua, wohnte den Winter
hindurch im Palazzo Pal lavic ini , den
Sommer über in der etwa eine Stunde
von der Stadt an der Straße gelegenen
Villa Damno, welche er käuflich erwor»
ben hatte. Dort verlebte er kränkelnd,
verstimmt über sein finanzielles Miß»
geschick, über die Unbilden, mit denen ihm
das Schicksal in seinen politischen Unter-
nehmungen heimgesucht, verzweifelnd an
Gott und an der Zukunft seines Volkes,
in völliger Zurückgezogenheit die letzten
Jahre, bis er in Nizza, wo er Linderung
seiner Leiden vergebens suchte, im Alter
von 71 Jahren vom Tode erlöst wurde.
Auf schriftstellerischem Gebiete in frü-
heren Jahren in äußerst verdienstlicher
Weise thätig, hat er folgende Werke
durch den Druck veröffentlicht: ,,^a-
d. i. An>
denken eines guten Vaters; aus der
Handschrift eines Ungenannten umgear«
bettet, vermehrt und herausgegeben von
Theodosius Sier 0 ciiiski (Warschau
1823, 8».); an dieser Schrift hatte er so
wesentlichen Antheil, daß er als Mir-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Volume 57
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Windisch-Wolf
- Volume
- 57
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon