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Wo«1 188 Mocel
dsn übrigen UnterrichtsgeZenständen ihren
Antheil sicherte, und so wurde auch Wo-
cel in die Erzeugnisse der öechischen Lite-
mtur und Dichtung eingeführt, lernte
I u n g m a n n's ^3l0v68nc>8t", die
cechische Uebersetzung von M i l t o n's
„Verlorenem Paradies", Pollak's „Er-
habenheit der Natur" iV7.r1e3e.n08t pri-
roä)-), Klicpera's Theaterstücke und
die damals als kostbarste Perle der öechi-
scben Dichtung erklärte „Königinhofer
Handschrift" kennen, woran sich des Iüng»
lings leicht erregbare Phantasie alsbald
begeisterte. Der Eindruck dieser Lecture
von Werken in seiner Muttersprache war
ein so eindringlicher und nachhaltiger,
daß sich Wocel in poetischen Arbeiten
versuchte, für deren eine er beim öffent»
lieben Vortrage zu Ende des Schuljahres
1824 feierlich belobt wurde. Neberhaupt
schrieb er in der Zeit seiner Gymnasial»
studien zahlreiche Gedichte, auch klei-
nere Theaterstücke, welche dann wäh»
rend der Ferien auf dem Dilettanten»
theater im Glternhause aufgeführt wur» .'
den. Auck bekundete er scbon eine ganz !
ungewöhnliche Fruchtbarkeit und Ge-
wandtheit in poetischen Arbeiten: so
vollendete er innerhalb einer Woche ein
Trauerspiel von vier Acten und dictirte
während derselben Zeit seinen Käme«
raden die Scenen eines anderen mehr»
actigen Stückes, dessen Plan er fertig im
Kopfe trug. 4831, damals 18 Jahre alt,
dichtete er anläßlich der feierlichen Be»
grüßung eines neuen Schulvorstehers ein
fünfactiges Drama, das mit großem Bei»
fall aufgeführt wurde, und worüber Ca>
jetan Tyl Md. XI.VIII , S. 172^ sein
Staunen, daß ihm Aehnliches noch nicht
vorgekommen sei, unverhohlen aussprach.
Diese Schaffenskraft und Schaffensfreude
machten aber den jugendlichen Poeten
nichts weniger als eitel oder vordringlich; er selbst erkannte die Mangel seiner da»
! maligen Arbeiten, namentlich die Ge»
! brechen in der Sprache, und zögerte
! keinen Augenblick, sie als unzulängliche
! Versuche einer frühreifen Phantasie dem
^ Feuertode zu opfern. Nur eine einzige,
! „Die Harfe", entging diesem Schicksale,
! indem sie, ohne Wiffen des Sohnes, der
! Vater seinem Freunde Pospisi l schickte,
! und dieser das Stück, nachdem Professor
C hmela einige sprackliche Correc-
sturen daran vorgenommen, 1824 im
Druck herausgab. Als Wocel mit aus»
! gezeichnetem Erfolge das Gymnasium
! beendet hatte, begann er den ersten Jahr-
! gang der Philosophie, aber nun trat auch
, der Ernst des Lebens an ihn heran; der
Vater sah sich außer Stande, ihn aus'
reichend zu unterstützen, und so war der
Jüngling auf sich selbst angewiesen und
genöthigt, durch Unterrichtertheilen für
seinen Unterhalt zu sorgen. Nun blieb
ihm auch für seine schöngeistigen Trau»
mereien keine Zeit übrig; denn Studien
und die aufreibende Beschäftigung des
Unterricbtertheilens drückten die Flügel
der Begeisterung danieder. I n der Hoff«
nung, in der Hauptstadt des Reiches
günstigere Verhältnisse zu finden, begab
er sicb, nachdem er das erste Jahr der
Philosophie beendet, -^u Allerheiligen
1824 nach Wien, wo ihn alsbald ein
Landsmann ans .^'uttenderg, Johann
Zelinka, als Erzieher in das Haus des
Grafen Czernin bracbto. ,ui dieser
Stellung hatte er die Aufgabe, den
jungen Grafen Ot 0 k a r im ()eä'ifcken und
in der lateinischen Spracbe ;u unterweisen.
Inzwischen beendete er den zweiten Jahr-
gang der philosophischen Studien, und
schickte sich nun an, die Neckte privat zu
studiren, da er als Erzieher in der Fa»
milie des Marchese Pal lav ic in i ein-
trat, der mit den Seinen den größeren
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Volume 57
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Windisch-Wolf
- Volume
- 57
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon