Page - 217 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Windisch-Wolf, Volume 57
Image of the Page - 217 -
Text of the Page - 217 -
Mslsi 217
Tonkünstler großes Aufsehen. Alles ver-
langte den Virtuosen zum Meister, und
es waren W ö l fl's goldenste Tage, leider
nur von zu kurzer Dauer, denn als die
polnische Revolution ausbrach, verlor
Oginski (1794) sein Vermögen und
Wöl f l seinen bisherigen Dienst. Letzterer
blieb noch ein Jahr in Warschau und
ging nach der Theilung Polens 4793
nach Wien. Hier componirte er viel und
war bei seinem heiteren Wesen ebenso
allgemein beliebt, als seiner Kunstfertig-
keit wegen bewundert. Hier schrieb er
auch für Schikane der's Theater in der
Vorstadt Mieden die komische Oper „Der
!Höllenberg" (1793), die sehr gefiel. Diese
yper erschien im Stich fürs Clavier in
Wien bei Ar tar ia und in Braun-
schweig. Im Jahre 1798 componirte er
für das Hofoperntheater die Operette
„Das schöne Milchmädchen oder der
Guckkasten", und für Schikaneder's
Theater die Operette „Der Mann ohne
Kopf", welch letztere gleichfalls großen
Beifall fand, und aus welcher ein Marsch
für das Clavier im Stich erschien. Die
ebenfalls in Wien geschriebene Oper „Das
trojanische Pferd" scheint nicht zur Auft
führung gekommen zu sein. i?98 ver°
malte sich Wöl f l mit der Schauspielerin
Therese K l e i n , nach Anderen
Klemm. Da seine Ehe sich wenig
glücklich gestaltete, ging er 4799 auf
Kunstreisen, auf welchen er die meisten
Städte Deutschlands besuchte. Bei dem
Enthusiasmus, den er mit seinem nament-
lich durch seine Riesenhände ungemein be»
günstigten Spiel überall erregte, glich
diese Reise einem förmlichen Triumph»
zuge. Sein letztes Concert, bevor er
Deutschland verließ, gab er in Hamburg
am 30. November 1799. I n Dresden
hatte sich die Capelle schon zur Probe
eines Concertes versammelt, die Stim> men waren aufgelegt, und es fehlte zum
Beginne des Concertes nichts mehr als
das Instrument, auf dem er spielen
sollte. Endlich wurde es gebracht, aber
es war um einen halben Ton zu tief ge-
stimmt. Als der Klavierstimmer dann
erklärte, das Instrument nicht vor einer
Stunde in die richtige Stimmung brin»
gen zu können, setzte sich Wöl f l ans
Clavier, um das Orchester nicht länger
warten zu lassen, und spielte sein in <7
gesetztes Concert (eines der schwersten
Pianoforteconcerte) mit solcher Fertig«
keit, Reinheit und Präcision aus (H, als
ob es in dieser Tonart geschrieben ge°
wesen wäre. 1799 kehrte er nach Wien
zurück, aber die häuslichen Zerwürfnisse
hielten ihn nicht lange daheim, er ging
Wieder auf Reisen, und zwar 1801 über
Holland und die Niederlande nach Paris,
wo er mit seinem Spiel neuerdings all«
gemeine Bewunderung erregte. Daselbst
schrieb er auch die Oper „1/a.inour rmna-
Q68HU6", die 4804 zum ersten Male auf»
geführt wurde. Im Jahre 1805 ging er
nach London, dort aber fand er den
erwarteten Beifall nicht, seine Ausgaben
standen in dieser theueren Stadt in
keinem Verhältnisse zu seinen Einnahmen,
sein Leichtsinn im täglichen Leben
schwächte seine Gesundheit, und er starb
in einem Dorfe bei London in größtem
Elende. Da durch die Continentalsperre
alle Verbindung mit dem Festlande unter-
brochen war, erfuhr man lange nichts
von ihm und über ihn. Erst als sich seine
Witwe mit dem Oboisten des Frank-
furter Orchesters, Schmitt, vermalte,
erhielt man authentische Nachrichten über
seinen Tod. Seine Fertigkeit im Taschen-
spiel soll ihn in Verbindung mit einem
Falschspieler in üblen Ruf gebracht und
zunächst das Elend verursacht haben, in
das er gerathen war. Die Virtuosität
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Volume 57
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Windisch-Wolf
- Volume
- 57
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon