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Wohlleben 246 Moh lieben
Gemeinde hervorgingen, hilfreich zur
Seite. Bei seiner, namentlich in den da-
maligen Tagen der herrschenden beamt.
lichm Bevormundung, welche der Ent-
wickelung des Gemeinwesens stets stö-
rend entgegentrat, ungemein schwierigen
Stellung kamen ihm aber manche treff-
lichen Eigenschaften, besonders eine fast
staatsmänmsche Klugheit, zu Hilfe, die
ihn befähigten, einen so großen Körper,
wie die Commune der Reichshauptftadt,
in schweren Zeiten und verwickelten
Fällen mit Sicherheit und Erfolg zu
leiten. Dabei war er ein treuer Patriot,
dem Kaiser und der Regierung ergeben,
was ihn vornehmlich in erster Zeit nicht
hinderte, wenn es das Wohl der Ge»
meinde galt, offen und ehrlich seine Mei-
nung auszusprechen, wenn diese auch im
Widersprüche mit den Anordnungen der
omnipotenten Bureaukratie stand. Schon
bevor er Bürgermeister geworden, nahm
er so bedeutenden Einfluß auf die Ver-
waltung der Gemeinde, daß er zu allen
nur einigermaßen wichtigen Berathungen
beigezogen wurde. I n der Wiener Bürger«
wehr bekleidete er anfangs die Stelle
eines Majors, später als Bürgermeister
die eines Obersten und führte als solcher
48W die Neorganisirung dieses Corps
durch. Er entwarf die Grundlinien zu
dem von Erzherzog Karl ausgearbeiteten
und bis 1848 in Kraft gebliebenen Sta-
tute für die Bürgercorps. Auch leitete er
damals die Vertheidkgungsan stalten der
Stadt zum Schutze gegen die französischen
Invasionen und trat nach dem Einzüge
der Franzosen im Jahre 1803 in Verkehr
mit den französischen Machthabern. Ein
Gleiches that er 4809, wo er dem Kaiser
Napoleon gegenüber eine so kluge und
gewandte Haltung und auf die zu Aus-
brächen eines erklärlichen Haffes gegen
die Franzosen geneigten Bürger solchen vermittelnden Einfluß zu üben wußte,
daß Napoleon die auf die Stadt ent-
fallenden Lasten möglichst milderte, das
bürgerliche Zeughaus vollständig schonte
und ihm selbst bei seiner Abreise in wohl-
wollendfter Weise seine Anerkennung
aussprach. I n jenen Tagen war Wohl-
leben Zeuge einer für die Reichshaupt'
stadt im hohen Grade demüthigenden
Scene. Es hatten sich nämlich damals
die Maires der bedeutendsten Städte
Frankreichs, an der Spitze jene von
Paris, in Wien eingefunden, um dem
'ranzösischen Imperator ihre Bewunde-
rung zu den großen Waffenerfolgen in Be»
glückwünschungsadreffen auszusprechen.
Diesen die Residenz tief demüthigenden
Vorgang merkte sich der wackere Bürger-
meister wohl, und zur rechten Zeit übte
er Revanche. Obgleich er, wie oben an»
gedeutet, um der Stadt Plackereien und
Belastungen so viel als möglich zu er»
sparen, sich mit den oft unverschämten
Machthabern auf möglichst guten Fuß zu
stellen verstand, genoß er doch das vollste
Vertrauen des zum Mißtrauen sehr ge>
neigten Kaisers Franz I. Als nun nack
der Völkerschlacht bei Leipzig die große
Armee der Verbündeten gegen Paris
marschirte, erinnerte er sich der vorer«
wähnten peinlichen Eindrücke, welche
ihm die Anwesenheit der französischen
Makes in Wien verursacht hatte, nnd so
faßte er den Gedanken, an der Spitze
einer Deputation in das Hauptquartier
der Alliirten in Paris zu eilen, um den«
selben die Glückwünsche der Stadt Wien
ür die Befreiung .Deutschlands aus»
Zudrücken. Der Beschluß war aber leichter
gefaßt, als ausgeführt, und es ist fast
tragikomisch zu lesen, was Wohlleben
n seinen Aufzeichnungen erzählt, wie
man ihm die Allsführung dieses an sich
ja unschuldigen und bei dem voran-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Volume 57
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Windisch-Wolf
- Volume
- 57
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon