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249 Mohlsberger
diese Aquarelle gewinnen bei den Vcränd
rungen. welche die innere Stadt Wien seit
der Abtragung der Wälle und Basteien
erfuhr, historische Bedeutung. — 3. Der Nach
> richter Wohlmuth, welcher fein trauriges
Amt von N06 bis 1816 in Salzburg aus
übte und in dieser Zeit von 60 Jahren nicht
weniger denn 300 Hinrichtungen theils mit
dem Schwerte, theils mit dem Stricke voll«
brachte. Dieser österreichische Sanson hat ein
Manuscript hinterlassen, das unter dem Titel
„Memoiren des Scharfrichters Wohlmuth"
zugleich mit den Nichtinstrumenten, Schwert
und Strick, im Salzburger Museum auf'
bewahrt wird. Diese Memoiren entHallen
die Biographien der Gerichteten, ihre Ver-
brechen, ihre Art zu sterben u. s. w., und sind
die Aufzeichnungen von Wohlmuth eigen»
händig gemacht. Dr. Johann Nep. Bcrger,
der ehemalige Reichstagsabgeordnete und
nachmalige Sprechminister, hat während eines
Curgebrauches in dem nächst Salzburg gele,
genen Neichenhall in den Sechziger>Iahren
von diesen Memoiren eine Abschrift nehmen
lassen und die Absicht gehabt, sie als einen
Beitrag zur socialen Geschichte herauszu«
geben. Sein früher Tod vereitelte dieses
Vorhaben.
Wohlsberger, N. (Wiener Bürger,
Geburtsjahr unbekannt, gest. in Wien
Anfang April 1868). Dieser Wiener
Bürger, der in der Rochusgasse auf der
Landstraße ein wohlhabender Hausbesitzer
war, hat sich durch seine wohlthätigen
Zwecken gewidmete letztwillige Bestim-
mung ein Anrecht auf bleibende Grinne«
rung erworben. „So lange seine Gattin
lebt", verfügte er letztwillig, „fallt die
Nutznießung des aus dem gedachten
Hause, einigen Haussähen und Bar-
capitalien bestehenden Vermögens seiner
Witwe zu. Nach ihrem Tode aber wird
eine Stiftung aus dem Gesammtver»
mögen gebildet mit der Widmung, daß
aus dem Ertrage arbeitsunfähig gewor»
dene arme Gemeindeangehörige unter»
stützt werden sollen." Diese letztwillige
Verfügung machte an und für sich großes
Aufsehen, noch mehr aber durch einen mit ihr in Verbindung stehenden Neben-
umstand. Wohls berger hatte vor
einigen Jahren ein Testament aufgesetzt,
worin zum Erben einer Haushälfte das
Kloster der Elisabethinerinen eingesetzt
war. I m Herbste 4867 wurde eine
Schwester Wohlberger's von einer
nach dem Ausspruche der Aerzte lang-
wierigen und unheilbaren Krankheit be»
fallen. Da die schwer kranke Schwester
im eigenen Hause keine genügende Pflege
fand, so ersuchte Wohls berg er die
Elisabethinerinen um die Aufnahme der
Patientin. Als die Nonnen aber von dem
Zustande derselben Kenntniß erhielten,
verweigerten sie die Aufnahme. Nun ließ
er einen der Pfarrgeiftlichen zu sich
bitten, zeigte ihm das Testament, erzählte
ihm den Fall und erklärte, bei so be«
wandten Umständen werde er das Testa>
ment vernichten und ein anderes machen.
Der geistliche Herr muß sich sofort in das
Kloster der frommen Schwestern begeben
und dort berichtet haben, was er eben
bei Herrn Wohlsberger erfahren,
denn schon in wenigen Stunden ließen
die Elisabethinerinen unter Anwendung
aller erdenklichen Sorgfalt die Kranke in
das Kloster abholen, wo sie nach einiger
Zeit auch von ihrem Leiden durch den
Tod erlöst wurde. Wohlsberger ver»
nichtete aber noch in derselben Nacht, in
welcher seine Schwestern zu den Nonnen
kam, sein Testament und errichtete ein
neues, nach dessen im Eingang dieser Zeilen
mitgetheilten Bestimmungen statt der
Nonnen arbeitsunfähige arme Mitbürger
zu Erben eingesetzt wurden. Die Bestat-
tung des humanen Wiener Bürgers ge>
staltete sich unter den obwaltenden Um-
ständen zu einer großen Leichenfeier.
Neues Wiener Tagblat t . 1868. Nr. 133
im Feuilleton: „Geschichte eines Testa«
mentes".
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Volume 57
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Windisch-Wolf
- Volume
- 57
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon