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Wolf, Gersou 288 ) Gerson
bis dahin von demselben ferngehalten
wurden, durchzusetzen. Dann errichtete
er 1339 eine Iugmdbibliothek, die in
furzer Zeit über 1000 Bände zählte, sich
immer vermehrte, und deren Katalog im
Druck erschien. Ferner schrieb er mehrere
Unterrichtsbücher, so eine „Geschichte
Israels für die israelitische Jugend"
(Wien 1860 und noch viele Auflagen),
eine „Kurzgefaßte Religions- und Sitten-
lehre" (Wien 1870 u. o.), beide vom
Ministerium für Cultus und Unterricht
sowohl für israelitische Volks-, als für
Mittelschulen genehmigt. Auch werden
diese Bücher als Lehrmittrl an israeliti-
schen Schulen Nordamerikas benützt. Im
Jahre 1870 wurde Wolf zum Reli-
gionsprofessor an der k. k. Staatsober-
realschule in der Leopoldstadt ernannt,
an welcher Anstalt er bis 1876 wirkte.
Aus freiwilligem Antriebe übernahm er
noch in den Sechziger^Iahren auch die
Seelsorge für die israelitischen Häftlinge
in den kaiserlichen Strafanstalten in
Wien und dann in Stein, legte sie
jedoch 1872 wegen Geschäftsüberbür»
düng nieder. Die Sträflinge aber be«
gründeten aus Dankbarkeit für ihren
einstigen Lehrer 1873 eine Stiftung für
entlassene Sträflinge, die seinen Namen
trägt. Da sich Wolf als Exhortator bei
dem Sonntagsgottesdienste für die israe»
litischen Handwerkslehrlinge bewährte,
so wurde er auch mit den Predigten in
dem Filialbethause an den hohen Festen
(am Neujahrs» und Versöhnungstage) und
bei sonstigen feierlichen Gelegenheiten
betraut. Die Frucht einer Neujahrs-
predigt 1861 war die Schöpfung des
Vereines zur Unterstützung mittelloser
israelitischer. Studirender in Wien. Die
Erinnerung an das Elend, das er selbst in
der ersten Zeit seines Aufenthalts in Wien
als Student durchkostet, veranlaßte ihn, diesen Verein ins Leben zu rufen, und er
wurde in diesem Vorhaben von Mann-
heimer, dem Baron Königswarter,
Julius von Goldschmidt und anderen
Menschenfreunden reichlich unterstützt.
Der Verein gedieh bald so, daß jährlich
über 200 arme israelitische Studirende
der Wiener Hochschule Unterstützung auf
die Hand und um momentaner Noth ab-
zuhelfen, ferner Beiträge zu Collegien-
geldern, Rigorosen uud Promotionstaren
u. s. w. erhalten. Vor einigen Jahren
besaß die Stiftung in Staatspapieren im
Nominalwerthe ein Capital von 23.000
Gulden, welches mittlerweile sich gewiß
vergrößert hat. Und der Verein hat seine
Aufgabe in ersprießlichster Weise erfüllt
und erfüllt sie noch heute. Die ErfahruN'
gen aber, die Wol f auf diesem Gebiete
gesammelt, verwerthete er in dem Wiener
Blatte „Der Wanderer", in welchem er
dieselben 1863 veröffentlichte. Zur Zeit
bekleidet, in eigenthümlicher Ironie des
Schicksals, Wol f , der den Religions»
unterricht in der Schule abgeschafft
wünschte, die Stelle eines Inspectors für
den Religionsunterricht in den Volks»,
Bürger- und Mittelschulen Wiens. Wir
lassen auf S. 289 eine Uebersicht seiner
schriftstellerischen Thätigkeit folgen, wobei
wir es geradezu als eine literarische
Merkwürdigkeit bezeichnen, daß es ihm
gelungen, den Zutritt zu Journalen aller
Farben, aller Fächer und aller Confes-
sionen zu erlangen, da es in Oesterreich
eine der größten Schwierigkeiten auf
journalistischem Gebiete ist, in den meist
geschlossenen Ring der Mitarbeiter eines
Blattes Einlaß zu erhalten; eine Maß«
regel, die gewiß von nicht geringer Wich»
tigkeit ist und es sogar ermöglicht, das
Verdienstlichste todtzuschweigen, wenn es
nicht den Beifall der Journalistik findet.
Wolf selbst gesteht in seiner Selbst-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Volume 57
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Windisch-Wolf
- Volume
- 57
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon