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Wolf) Friedrich Ludwig Mmf, Georg
Lehnin, welche 1693 zuerst auftaucht. Wie
letztere entstand, wie sie in Umlauf gesetzt
wurde, weiß heute Niemand, aber sie ward
schon damals als im feindlichen Sinne ge-
schrieben aufgefaßt, denn das strengste Ge«
heimniß wurde Allen anbefohlen, die sich mit
deren Inhalte bekannt gemacht hatten. Wie
in Wien der Kaiser, so hatte in Berlin der
große Kurfürst große Neigung zu dem Jesuiten«
pater. dessen ausgezeichnete Geistesgaben und
liebenswürdiges Benehmen überhaupt Jeden
fesselten, der ihm nahe kam. Georg H i l t l .
der in einem größeren Essay diesen merk'
würdigen Mann behandelte, nimmt mit Be»
stimmtheit an, daß derselbe mit Freut ag
die geheime Verhandlung bezüglich drs Testa-
mentes geleitet, daß er sich hiebe! dl'r Kur-
fürstin bediente, deren Muttergefühl fast eine
Zerstückelung der Macht herbeiwünschte. Ja.
Wolf's Einfluß auf den großen Kurfürsten
war ein so bedeutender, daß derselbe ihn lluf>
forderte, ein Iesuitencollegium in Berlin zu
gründen. Wol f al^'r wollte sich dazu nicht
verstehen, mochte er doch erkannt haben, daß
der geeignete Zeitpunkt Zu einem solchen
Untttnehlnen in der Metropole des Prote»
siantismus noch nicht gekommen sei, und be>
zeichnend ist die Antwort, die er auf diese
Aufforderung gab: „Gnadiger Herr. dazu
müßten wir mehr Engel als Menschen sein".
H i l t l meint auch. daß, nachdem sich Wolf
aus Berlin entfernt hatte, sich noch Spuren
seiner Thätigkeit nachweisen lassen, welche auf
feine persönliche Anwesenheit demen, H i l t l
hält ikn geradezu für den Verfasser des ob«
erwähnten Lehnin'schen Gedichtes, das in
seinen hundert leoninischm Versen die Schick»
sale des hohenzollcrichen Hauses prophezeit
und einem Mönche. Hermann uon Lehnin,
der um l2:w gelebt, zugeschrieben wurde,
wälMnd es thatsächlich ein Erzeugniß des
N. Jahrhunderts ist. Diese Weissagung cir-
culirte lange Zeit nur in Hofkreisen, in die
Hände kritisircnder Gelehrten gelangte sie erst
im Jahre i7U. Ihr Auftauchen fallt genau
mit dem des berüchtigten dritten Testamentes,
mit den Bekrhrunasvcrsuchen des Paters
Vota am sächsischen Hofe und mit den
ersten Unterhandlungen über die Königswürde
in Preußen zusanuüen. Wolf starb im Alter
non 63 Jahren, und aus den ersten Jahren
seines Waltms in dem Orden, dem ^angehörte,
stammen einige theologische Werke, welche in
Prag, Olmütz u. s.w. erschienen. Ihre, Titel
sind: „<3ranum Lklis, uivG I . L'raueiLeuL 6s 8 3,165 (?sn,svenlii5 Npisaoxus. Ora-
tiaus PlnieZvi-ica V^k^LituL..." (Prag
N')6ii. 4".); — „lksxe« 6iMoiUor68 ex
universk ?kiIo8apkiH autkaritatb ^risto-
tsli«, ^u^n3t!ni st ^czuinatis ül-lliatae"
(edd. if»7<z. 12".); — ^8te1lH in Orients,
iiao e«t, voillntaL äei. aä Vrose^uenäuin,
aÄvsrLus Orisntkin Laoruin t>sNum bsNi-
ooZißsimkm I'oionoi'UN ^entom inoiiNNL"
(Warschau t685, 4".); — „Oommont^rius
in saci-am LLi-iMii-am" (Olmütz. 4".) ^Pel«
zel (Franz Martin). Böhmische, mährische
und schlesische Gelehrte und Schriftsteller aus
dem Orden der Jesuiten... (Prag 1786,
8".) S. 96.) — l8. Georg Wolf. auch
Vol f geschrieben, ein zeitgenössischer unga«
rischer Sprach» und Geschichtsforscher, zur
Zeit correspondirendes Mitglied der sprach»
und schonwissenschaftlichen Classe der königlich
ungarischen Akademie der Wissenschaften, der
schon manche daukenswerthe Arbeit veröffent-
licht hat. Er ist ein eifriger Mitarbeiter an
der von Gabriel Szaroas seit l87l mit
Unterstützung der ungarischen Akademie her»
ausgegebenen sprachwissenschaftlichen Zeit<
schrift „AIkF^r ^^'ülvär", d. i. Ungarischer
Sprachwart. Dann hielt er in den Siyungen
der ungarischen Akademie vom 3. Februar
und 24. März 1879 zwei Vortrage über den
sogenannten „^oi'äanL^kvOocl ex", eine Hand»
schrift. benannt nach dem Raaber Bischof, in
drssen Besitz sie gewesen, gegenwärtig Eigen«
thum o r^ Primatialbibliothek in Gran, Dieser
Eodcr enchält die Zweitälteste ungarische
Bibelüberschutig. welche gewöhnlich dem La»
dislauS Bl i tor i (gest. um 1470) zugeschrie»
ben wird. Im oberwähnten .^lu^^u,!- ^^biv-
ör" veröffentlichte W o l f im VI I I . Bande
(l«?9> im Zuli». August« und September
Hefte einen ausführlichen literarisch.kritischen
Essay über Johann A ran y's prosaische
Schriften. In der Akademie'S.itzung vom
34. Jänner l88l las er einen Vortrag über
drn Schreiber der „Margartthenlegende",
worin er nachwies, daß derselbe nicht, wie
bisher angenommen wurde, ein Dominicaner« '
mönch. sondern eine, Nonne, Namens Lea
Nliskai sei. welche dieselbe um täll» auf
der Margaretheninsel schrieb. In der Sitzung
vom 21. Februar 1881 aber las er über das
älteste ungarische Buch. den sogenannten
„Ehienfeld.Codrr", aus der ersten Hälfte des
tö. Jahrhunderts. In der Sitzung vom
Z. Jänner 1885 hielt er einen Vortrag über
die Frage: „Von wem haben die Ungarn.,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Volume 58
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wolf-Wurmbrand
- Volume
- 58
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon