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Molfrum 33 Molfrum
durch die Pfalz, Hessen, die Schweiz, in
Wahrheit aber warb er AnhĂ€nger fĂŒr
einen revolutionÀren Verein, dessen Mit»
glieder damals â in den DreiĂiger«
Jahren â durch alle LĂ€nder Europas
zerstreut waren undyfĂŒr Verbreitung der
kosmopolitischen und freisinnigen Lehren
ihres Vereines wirkten. Endlich ent»
schlieĂt sich Kar l , nach Paris zu wan-
dern. Auf dem Wege dahin kam er mit
anderen Gesellen zusammen, und die
Abende brachten sie
Wirthsstuben zu, wo
in unscheinbaren
dann die Gesell-
schaft hohe, aber hockst gefÀhrliche Politik
trieb. Der berĂŒhmte Jacob Venedey
war einer der Hauptredner an diesen
Abenden. Dort predigte er ĂŒber sein
Lieblingsthema, die Könige, mit denen
er wie mit KartenblÀttern spielte, dort
predigte er seinen Zuhörern, die meist
aus Arbeitern: Kupferschmieden, Far«
dem, Schneidern, Gerbern u. d. m. be-
standen, daà die Völker sich ihr Pflicht-
theil an dem öffentlichen Leben erobern
muffen, wenn sie wollen, daĂ nur der
Lohn finde, welcher auch verdiene, etwas
zu werden. I n diesem Vereine fand sich
Karl Wol f rum bald nicht nur zurecht,
sondern that es auch manchem seiner
Vereinscollegen voraus, indem er die
neuesten Sturmeslieder kannte und als
VorsĂ€nger verbotener Weisen, wie âHaro
Harung", âDie Schwarzen von GieĂen",
âDie beim Krampampuli" u. s. w., fun»
girte, lauter Lieder, deren Tendenz die
morschgewordenen Einrichtungen der
alternden Staaten mit wildem Hohn
verspottete. Endlich kam er nach Paris,
wo er seinen Bruder Hermann zu
treffen hoffte. MĂŒhsam findet er sich in
dem Babel der Seine zurecht, und als er
endlich die Wohnung seines Bruders
ausgeforscht, erfÀhrt er von dessen Haus'
leuten: âHerr Hermann ist einge- sperrt." Er geht nun auf die Polizei, wo
er die Erlaubnià erhÀlt, seinen Bruder
im GefÀngnià St. Pelagie, in welchem
derselbe sich befand, zu besuchen. Nach
einigen Tagen schon war Hermann
frei. Nun fĂŒhrte er, was ihm in seiner
Eigenschaft als BuchhÀndler nicht schwer
fiel, seinen Bruder Karl zu Heinrich
Heine, zu Börne, zu dĂm alten Frei-
heitsmann Lafayette, bei dem sich
Jeder einfand, der sich mit dem Gedanken
einer Weltrepublik trug. Bruder Her»
mann hatte sich indessen m neue Um-
triebe eingelassen, wurde dann aus Paris
ausgewiesen und floh nach England, wo
er im Vordergrunde der politischen Be»
wegung stand. Kar l indeĂ blieb in
Paris und arbeitete bei einem FĂ€rber
Namens Cherrault , hörte ĂŒber auch
die VortrĂ€ge des berĂŒhmten Chemikers
Chevreui l , wo er die Kunst Farben zu
mischen lernte. So hatte er ein Jahr
lang gearbeitet, als eines Tages sein
Bruder leidend uud als politischer
EmissÀr verfolgt, unter fremdem Namen
in Paris eintraf. Niemand wollte den
schwer kranken Mann aufnehmen, endlich
wurde er in einem N^ison Às
untergebracht, in welchem Kar l seinen
Bruder mit seinem Tageslohn unter-
stĂŒtzte. Einen Monat spĂ€ter saĂ Kar l
am Sterbelager seines Bruders. Noch
einmal besuchte er, um Hermann's
Tod zu melden, General Lafayette,
den er schwer krank im Bette liegend
antraf. Am folgenden Tage, 20. Mai
1834, war Lafayette gestorben. Nun
schickte sich auch Karl an, Paris zu ver-
lassen und in seine Heimat zurĂŒckzu-
kehren. So weit reichen Wol f rums
eigene in höchst anziehender Weise ge-
schriebene Aufzeichnungen. Die nÀchsten
zehn Jahre verlebte Kar l Wo l frum in
Deutschland, bis er im Jahre 1843 sich
v. WĂŒrz dach. biogr. Lexikon. I.VIII. lGedr. 3. April l889^ 3
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Volume 58
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wolf-Wurmbrand
- Volume
- 58
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der UniversitÀts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon