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Molkensiein, Oswald 64 Molkenftein. Oswald
ereilt. — 28. Oswald von Wolken st ein ,
(geb. in Tirol 5367. gest. 2. August ii4ä). ^
der jüngste Sohn Friedrichs aus dessen
Ehe mit Ka tha r i na von V i l l a n-
derö und Stifter der Hauptlinie Wol .
kenstein« Roden egg. Das Leben dieses
berühmten fahrenden Sängers und Ritters
des H4. Jahrhunderts ist ziemlich sorgfältig
erforscht worden, so daß die Ergebnisse, wenn
auch nicht abgeschlossen, doch so weit gediehen
sind, daß Allcs. was etwa noch herbeigebracht
wird. meist nur das bereits Bekannte bcstä>
tigen dürfte. Schon im Knaben äußerte sich
der dunkle, theilweise noch den Kreuzzügen
nachzitternde Drang, die Welt zu sehen, und
dieser treibt den Zehnjährigen, welcher bei
einem tollen Faschingsrummel frühzeitig sein
rechtes Auge verloren hatte, vom Schlosse
seiner Ahnen in bittterster Armut („drei
Pfennige im Beutrl und ein Stücklein Brod,
das war von Haus mein' Zehrung") in die
weiteste Ferne. Als Troßbube trieb er sich
mit den Reitern des Herzogs Albrecht
von Oesterreich in den Ostseeländern herum,
durchzog Lithauen, Polen, Nußland, war in
Dänemark und Norwegen, that Kriegsdienste
in England, Schottland und Irland, kam
dann in die Gegenden des Schwarzen
Meeres, wo er nach einem Schiffbruche als
Koch und Ruderer nach (Landia unter Segel
ging. Mit einem Male sehen wir ihn als
Freund und Günstling des Ungarkönigs
Sig ismund. mit dem er in der unglück»
lichen Schlacht bei Nikopolis (l396). ein erst
t9jähriger Jüngling, kämpft, und welchen er
dann mit den wenigen Geretteten auf der
Flucht nach Constantinopel, geleitet. Nun be»
fand er sich gerade im Alter, um in die
Schlingen eines arglistigen Weibes zu fallen,
das noch betrüdenderen Einfluß anf seine sva«
teren Geschicke übt. 5Mne Iagrr, nachmals
verehelichte und verwitwete Hausmann, be»
strickte sein Herz, und die schlaue Eoquette setzte
dem in sie verblendeten Dichter als Minne»
dienst - und um seiner los zu werden —
die Aufgabe, ins heilige Land zu pilgern.
Mit dem Roman des Amadis uon Gallien
und dem durch das ganze Mittelalter üblichen
Reisebuche des Sir John Montevi l le
^vergleiche „Allgemeine Zeitung" (München)
26. August 1888, Beilage 237, S. 348^:
„C'ine verjährte Mystifikation") pilgerte O s»
wald hin und zurück und fand seine an>
gebetete Huldin bei seiner Rückkehr. Weih«
nacht l4tt(». als Frau eines Anderen wieder, > 4407 trat er dem eben errichteten Elephanten»
orden bei. Nach kurzer Ruhe rüstete er sich
zum Kampfe gegen die Mauren. Erst durch,
zog er Deutschland. Holland. England und
Portugal; 14N ist er in Africa. wo er unter
den Tapfersten Ceuta erstürmt. In Italien
trifft er mit König S ig ismund zusammen.
Im Jahre 1413 ist er endlich mit einem
jährlichen^ Salair von 3U0 ungarischen
Goldgulden in dessen Diensten, weilt zur
Zrit des Concils in Constanz. wo er nichts
weniger als mit den Rechen die Schwär»
merei für Johannes Huß theilt, sondern
vielmehr „aufs tiefste entrüstet ist. daß ein
cechischer Magister der deutschen Nation seine
Meinungen aufdringen und sich über die
edelste Versammlung, welche es in Deutsch,
land je gegeben hatte, erheben wollte. Das
unberufene sitttenrKhterliche Gebaren, mit
dem Huß alle Welt geistlich und weltlich
verklagte, wahrend er selbst am pharisäischen
Hochmuth unheilbar litt. mußte Jedermann
abstoßen, zumal man uon seinen odstrusen
Doctrinen keine einzige, weder für das geist.
liche noch weltliche Regiment, brauchbar
finden konnte". Oswald ruft die „Adler",
d. h. den deutschen Adel gegen die Hussiten
auf, „sie sollten sich erst mausern, d. h. ihre
eigenen Untugenden ablegen, um dann gegen
die spöttisch lachende, wohl einem Drachen
vergleichbare „Gans" (oas »'echische uus hrißt
Gans) zu stoßen, Ehedem prieö man die
(Martins.) Gans als den besten Vogel, jetzt
ist dieses Thier das schlimmste und hat sich
zu eigenem Schaden verkehrt." Oswald
begleitete d?n König S ig ismund, als
dieser im Interesse des Concils am 2l. Juli
14l5 sich nach Perpignan begab, dahin, wo
er vor dein Hofe Ferdinands von Arra»
gonien und dessen Gemalin Margari ta
als Minnesänger auftrat, arabiiche Lieder vor»
trug. Mohrmtünze inscrnirte, die er als Gast»
freund eines maurischen Fürsten uon Granada
gelernt hattt', und dafür, wie es damals Sitte
war, mit Geschmeide belohnt wurde. Auch
befand er sich an der Seite seines königlichen
Herrn bei desscn Ginzug in Paris, wo er
neuerdings uon der Königin von Frankreich
mit einem kostbaren Diamanten begnadet
ward. Nun folgten in Oswalds Leben
einiqe Jahre der Ruhe, bei seiner treuen
Gattin Margarethe von Schwang au,
dle er in Constanz kennen gelernt und in
einem wahren Lieder» und öiebesfrühlinq
feierte. Aber mit einem Male kam Mißgeschick,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Volume 58
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wolf-Wurmbrand
- Volume
- 58
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon