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Moltlnann, Karl Ludwig von 1
denselben Willen, der sie zu Stande ge-
bracht hatte, auch wieder getrennt wurde.
Man wollte wissen, der Vater habe die
Rochier genöthigt, sich von Müchler
scheiden zu lassen, um sie aus dem zu
liberalen Kreise, der sich um den Dichter
gebildet, zu entfernen. Da aber Müchler
bekanntlich der Verfasser der preußischen
Volkshymne „Heil Dir im Siegerkranz"
ist, so wäre es sicher interessant, zu er»
fahren, aus welchen Männern denn dieser
liberale Kreis bestanden habe. Während
die Auflösung dieser Verbindung erfolgte,
lernte Karol ine den Geschichtsschreiber
Kar l Ludwig Wol tmann, der sich
eben damals als O^NrAO ä'arlÄireö
der Hansestädte Lübeck, Bremen und
Hamburg in Berlin aufhielt, kennen,
und am 23. October 1898 vermalte sie
sich mit demselben. Diese Ehe War eine
überaus glückliche. Bei gleichen Neigun»
gen und dem Bedürfniß nach gegen»
seitiger geistiger Vervollkommnung fan»
den sie sich hald in eine gemeinschaftliche
schriftstellerische Thätigkeit hinein, welcher
sie gleichzeitig oblagen. Im weiteren
Verlaufe ihres Zusammenlebens half
sie ihrem Manne mehr bei ^inen Ar»
beiten, als daß sie selbst schrieb. Als die
politischen Wirren ihren Gatten zwangen,
im Jahre 18i3 Zuflucht in der Haupt-
stadt Böhmens zu suchen, übersiedelte sie
mit ihm nach Prag, wo sie bleibenden
Aufenthalt nahm und in den Sagen des
böhmischen Volkes bald einen Stoff
fand, der sie anzog und den sie bear-
beitete. Doch auch hier zwang sie das
sich stets steigernde Leiden ihres Gatten,
der übrigens von der Schriftstellerei
lebte, sich mehr und mehr an seinen
Arbeiten zu betheiligen, insbesondere als
er, außer Stande selbst zu schreiben, ihr
seine Werke in die Feder dictirte. Am
19. Juni 18l7 wurde sie Witwe. Nun r. Karoline
faßte sie den Entschluß zu einer Gesammt.
ausgäbe der Werke ihres Gatten, welche
aber nur bis zum l4. Bande (182!) ge-
dieh. Nac^ ihres Gatten Tode blieb sie
noch einige Jahre in Prag. Ende der
Zwanziger. Jahre aber kehrte sie nach
ihrer Vaterstadt Berlin zurück, wo sie.
fortan durch schriftstellerische Arbeiten be-
schäftigt, NDt Unterbrechungen von Reisen
bis zu ihrem Tode verblieb. Einige ihrer
Schriften haben auch Beziehung zu
Oesterreich, d. i. Böhmen, und zwar:
„Vollwagen der Böhmen", 2 Theile (Prag
1813, 80.); — „Nene Vlllkssagen der
Rühmen" (ebd. 4820', 2. Aufl. 1833);
— „Menschen und Gegenden. Nentzchlantl nnb
die Zchmeiz. Italien", 2 Bände (Breslau
1833, 8".). Ferner schrieb sie zur
Selbstbiographie ihres Gatten einen
Nachtrag, der in den „Zeitgenossen"
1817 abgedruckt erschien, mit ihrem
Gatten gemeinschaftlich über Huß, die
Hussitenkriege und über Wallen stein;
eine Biographie des ^)berstburggrafen
Grafen K o l o w r a t und überfetzte
einiges für die Bibliothek neuer eng»
lischer Romane. Im Jahre 1824 aber
übernahm sie die Redaction des Prager
Unterhaltungsblattes »Der Kranz", in
welchem sie auch Gedichte und Anderes
erscheinen ließ. Karoline von Wolt-
mann war nicht nur eine ungemein be-
gabte, sondern auch eine in Wissen-
schaften bewanderte Frau, deren Bil»
düng über das Niveau selbst hoch'
gebildeter Frauen weit hinausreichte.
Sie war zu ihrer Zeit nicht ohne Ein-
fluß auf die Entwickelung des geistigen
Lebens in Prag. Als sie im Jahre
H832 Berlin verließ, um eine größere
Reise nach der Schweiz und Italien zu
unternehmen, schrieb
sie
an ihre Freundin,
die Frau des Generals von Colomb,
eine Serie von Briefen, in denen sie sich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Volume 58
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wolf-Wurmbrand
- Volume
- 58
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon