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MĂĽrzburg. Zerline 289 ^ Zerline
tragischen Fache — freilich mit wech.
ftlndem Erfolge — gewirkt hatte,
wollte man plötzlich entdecken, daß es ihr
an Empfindlichkeit, an Innerlichkeit ge-
breche, daß sie dagegen für die Repräsen-
tation von Salondamen wie geschaffen
sei. Nun gehörten bekanntlich derartige
Garnisouswechsel zu den Passionen Heiw
rich Laube's, und wie mancher einVer»
gnĂĽgen darin findet, alle vier Wochen
die Meubles in seinem Zimmer umzu»
stellen, wenn auch — der Abwechslung
halber — einmal ein Schrank vor das
Fenster und' ein Divan vor die Stuben-
thĂĽr zu stehen kommt, so liebte es der
artistische Leiter des Burgtheaters mit
seinen Bleisoldaten (der Vergleich ist
nicht so gewagt, wie er auf den ersten
Blick erscheint), die wunderlichsten Ma-
noeuvres auszufĂĽhren. Es liegt auf der
Hand, daĂź solche Versuche nicht immer
miĂźlingen: denn ein guter Schauspieler
ist eben ein guter Menschendarsteller, und
er wird darum noch keinen Kompetenz»
constict erheben, weil er eine Rolle zu>
getheilt erhält, für welche eigentlich seine
Statur fünf Zoll länger sein oder sein
Geburtstag um zehn Jahre früher da»
tiren sollte. Aber fĂĽr die kĂĽnstlerische
Entwicklung der Einzelnen und die Her«
stellung eines harmonischen Zusammen-
spiels förderlich sind solche Versuche
darum keineswegs, und wenn es ein
Gesetz gäbe, welches den fahrlässigen
Mord junger Talente bestraft, mochte ich
nicht in Laube's Haut stecken. Wie viel
„seltene Vögel" hatte er nicht von seiner
Suche nach KĂĽnstlerinen mitgebracht, die
er nach einem Jahre als ganz gemeine
Sperlinge wieder stiegen lieĂź! Oft durften
sich die armen Thierchen gar nicht einmal
vor dem Publicum sehen laffen oder hoch»
stens ein Lied nach der Melodie pfeifen:
„Gnädige Frau, der Wagen ist vorgefahren". An solchen Aufgaben
wird freilich das größte Talent zu Schan-
den." Diese Worte treffen — wir wollen
damit dem Directionstalente Laube's
übrigens nicht nahe treten — auf diesen
ganz. auf die WĂĽrzburg zum groĂźen
Theile zu. Und so ist denn auch in und
mit ihnen die Stellung dieser Darstel-
lerin an der HofbĂĽhne wahrend Laube's
Gewaltherrschaft gekennzeichnet. GewiĂź
aber ist es, daĂź die Darstellerin in cheto-
rischen Rollen wirksamer hervortrat als
in gefĂĽhlvollen; daĂź ihr SĂĽlondamen,
namentlich jene Gattung Frauen, wie sie
uns die neueren französischen Bühnen»
dichter in ihrer ganzen Eigenart vor»
fĂĽhren, vortrefflich gelingen und sie in
solchen Rollen auf der Höhe ihrer Kunst
steht. Bei einer Umschau in ihrem Re-
pertoire führen wir außer den schon ge«
nannten Rollen aus ihrer ersten Zeit
noch an: das Blumenmädchen im
„Fechter von Ravenna", welche Rolle sie
geschaffen, und welche ihr Keine mit der
Vollendung, mit welcher sie dieselbe gab,
nachspielte; Margarethe in Scribe's
„Erzählungen der Königin von No«
varra"', die Herzogin von Marlbo-
ro ugh in desselben „Ein Glas Waffer";
die Virginia Blassac in der Frau
von Girardin „Lady Tartuffe"; die
Elisabeth in „Maria Stuart"; die
Gräf in Jul ia in „Fiesco"; dieEboli
in .„Don Carlos"; die Adelheid in
„Götz von Berlich'mgen"; vor Allem aber
die Marwood in Lessing's „Miß
Sarah Sampson"; und um auch eine
ihrer episodischen Rollen anzufĂĽhren,
nennen wir noch die Armgard in
Schiller's „Tell", wo die Scene mit
dem Landvogt, von dem sie ihres Mannes
Freiheit fordert, zu einem MeisterstĂĽcke
der Wahrheit und Leidenschaft wird.
Fräulein Würzbu rg hatte sich in Wien
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Volume 58
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wolf-Wurmbrand
- Volume
- 58
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon