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Wurmser Murmser
an Zahl weit überlegene Belagerungs-
Heer der Franzosen. Vier Monate lang
hatte der Held aus dem Elsaß mit be»
wunderungswürdiger Umsicht, Tapfer»
keit und Ausdauer den Platz gegen das
starke Belagerungsheer vertheidigt, erst
die geringe Möglichkeit und Wahrschein»
lichkeit eines Ersatzes und der völlige
Mangel an Lebensrnitteln und Arzeneien
zwangen den General gebieterisch, am
2. Februar 1797 unter den ehrenvollsten
Bedingungen zu capituliren und die
Festung ;u übergeben. sIn den Quellen
wird S. 6 der Uebergabsact nach französi»
schen Berichten mitgetheilt.^ Bon aparte
selbst sprach sich in seinem Berichte an
das Direktorium über den Fall der
Festung in ehrenvollster Weise über den
tapferen Commandanten derselben aus.
Wurmser aber begab sich nun nach
Wien und sollle das Generalcommando
in Ungarn übernehmen. Jedoch die durch
die Strapazen des letzten Krieges und
der Belagerung von Mantua stark ge-
schwächte Gesundheit des 73jährigen
Feldmarschalls gestattete es ihm nicht,
dieses in jenen Tagen so wichtige neue
Commando zu übernehmen, und nach
längerem Leiden erlag er der überHand
nehmenden Schwäche. Wenn auch die
letzten Ereignisse seines kriegerischen
Lebens seinen Waffenruhm zu verdunkeln
scheinen, so mindert dies nicht im Ge»
ringsten seinen Ruhm als Kriegsmann
und Feldherr. Wohl will die Kriegs«
geschichte ihn mehr als tapferen Krieger,
denn als weit und tief berechnenden
Feldherrn gelten lassen und nimmt in
Würdigung seiner ritterlichen Tugenden
für ihn den Titel „eines Ri t ters
ohne Furcht und Tadel" in An»
spruch; doch wenn man die Beschreibun-
gen seiner Feldzüge mit Aufmerksamkeit
liest, so bleibt noch immer genug übrig, um in ihm den gewandten Taktiker zu
erkennen, der, wenn seine Dispositionen
nicht immer gelingen, am wenigsten daran
die Schuld tragt, da Neid, Intriguen
und Verrath der mit ihm operirenden
Generale auch seine wohlberechnetsten
Maßnahmen vereitelten. Für die Ansicht,
daß er mehr Muth als eigentliches Feld-
Herrntalent besaß, nahm man die zu
seiner Zeit noch sehr junge Wissenschaft
der Kranioskopie zu Hilfe und berief sich
auf einen Ausspruch des Dr. Ga l l , der
das Organ des Muthes an ihm vor»
herrschend entwickelt gefunden haben
will und Wurmser's Schädel in dieser
Rücksicht als eines der seltensten Schau-
stücke seiner Sammlung aufbewahrt
hatte. Ueberwiegender Muth schmälert
aber nicht das Vorhandensein von tak>
tischem Talent und Feldherrngeist. Doch
Wurmser war nicht nur Soldat, er
war auch Mensch und verband mit allen
Eigenschaften des Feldherrn Bildung
und Humanität, wofür schon der Um-
stand spricht, daß er Mitglied der Präget
Freimaurerloge „Wahrheit und Ein-
tracht" war, und daß er für die religiösen
Bedürfnisse seiner Krieger volles Ver-
ständniß besaß und für deren Befriedi»
gung Sorge trug, beweist die Thatsache,
daß er in Prag zuerst, und ehe noch die
daselbst lebendeit Protestanten ihren
eigenen Gottesdienst hatten, für die pro-
testanttschen Soldaten einen solchen' cin>
richten ließ. Auch regte er im Staats«
rath die Angelegenheit wegen durch»
gangiger Anwendung der Seiler'schen
„Liturgie", eines in protestantischen Krei>
sen als vortrefflich anerkannten Werkes,
für die protestantischen Soldaten der
österreichischen Armee an, worin er von
den Staatsräthen Mar t in i und Simon
Thaddäus Freiherrn v. Reischach ernst-
lich unterstützt wurde. Das Grabmal deä
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wurmser-Zhuber, Volume 59
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wurmser-Zhuber
- Volume
- 59
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1890
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon