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Zierotin, Karl 89 Zierotin, Karl
keit blieb selbst Pfalzgraf Friedrich nicht
unberührt. Er ließ Zierot in vor sich be-
scheiden, besprach sich mit ihm in seinem
Gemache, forderte ihn auf, bei der Erfah«
rung. die er sich durch so viele Jahre er-
worben, bei seiner bekannten Klugheit und
erprobten Rechtlichkeit ihm offen seine An»
sichten zu sagen, und beschwor ihn. ihm seine
Meinung über die zweifelhafte Lage der
damaligen Umstände nicht zu verhehlen. Man
will an dem Vfalzgrafen nach dieser Unter»
redung nicht mehr die vorige Heiterkeit wahr«
genommen haben, und derselbe soll nach der
seine ganzliche Niederlage besiegelnden Schlacht
am Weißen Berge (8. November <620) auf
der Flucht seinen Höflingen mit Wehlnuch
erzählt haben, daß nunmehr Alles so ein«
getroffen sei, wie es ihm damals Z ierut in
in Brunn vorhergesagt habe. Als nach dieser
Schlacht auch die Mährer bedenklich ihrem
Geschicke entgegensahen, erkannten sie bald,
daß Niemand geeigneter sei, des .Kaisers
Gnade für das irregeführte Land zu erflehen,
als eben Kar l von Zierot in. Dieser über«
nahm in Liebe für sein Vaterland die heik»
liche Sendung, und auf sein Fürwort geschah
es auch, daß der Kaiser mit Mähren milder
verfuhr als mit Böhmen. Aber wenn Z ie»
rot in für sein treues Verhalten Rücksichten
— an Lohn dachte er ja nicht — erwartete,
so sah er sich sehr getäuscht. Der allerorten
wüthende religiöse Zelotismus jener Zeit
verschonte auch den nicht. der. obgleich an«
deren religiösen Bekenntnisses, doch ein treuer
Valadin seines Monarchen in den schwersten
Tagen, die über dessen Reich hereingebrochen,
ihm treu zur Seite geblieben. Es ist nicht genau
ermittelt, an welches Bekenntniß Z ierot in
sich hielt, ob an jenes der Caloiner odec der
sogenannten mährischen Brüder; gewiß ist
es, daß er Letztere, vornehmlich ihre geist»
lichen Vorsteher hoch schätzte, daß er die
Ausbreitung ihrer Grundsätze auf alle mög»
liche Weise beförderte und die Brüder, nach»
dem dieselben auf Befehl des Kaisers aus
Böhmen und Mähren verbannt worden, auf
seinen Gütern aufnahm und ihnen Schuh
gewährte. Aber auch seine Güter blieben
nicht verschont, auch auf diesen suchte man
die Verfolgten und zog ihn dafür, daß er
ihnen Schutz gewährte, zur Verantwortung.
Man ging so weit, ihm, als er bat. ihm
einen einzigen Prediger in seinem Hause zu
belassen, diese Bitte abzuschlagen. Solches
Gebaren ging ihm denn doch zu weit. Dazu gesellten sich die Racheacte — denn es war
nicht immer Gerechtigkeit, mit welcher man-
gegen die Verführten vorging, oft mischte
sich persönliche Feindseligkeit in die Voll«
zugsacte — an denen seine Heimat zu leiden
hatte; dies verleidete ihm alsbald den wei»
teren Aufenthalt im Vaterland?. Wenn man
ihm auch persönlich gestattete, so lange er
lebte, an seinem Glaubensbekenntnisse zu
halten, so widerten ihn doch die im Ganzen
gewaltsamen Vorgänge aus tiefster Seele an.
Vorerst legte er die Landeshauptmannstelle,
die er bisher bekleidet hatte, nieder, die von
ihm am j7. December l6l4 begehrte Ent»
Hebung von seinem Amte wurde ihm am
26. Februar l6l3 gewährt, dann verkaufte
er seine großen Güte,r seinem Schwager
Albrecht Naldstein Herzog von Fried»
land und behielt nur die Herrschaft Prerau
in seinem Besitze. Und nun theilte er frei»
willig mit anderen Glaubensgenossen das
Eril und lebte zu Breslau. Als er sein Ende
nahe fühlte, trieb ihn die Sehnsucht nach
feiner schwer heimgesuchten Heimat zurück
und auf dem Schlosse zu Prerau schloß er,
72 Jahre alt. für immer die Augen, welche
in warmer Treue über sein Vaterland ge-
wacht. Werfen wir noch einen kurzen Blick
auf Zierot in den Forderer der Wissen»
schaft und Glaubensfreiheit und über seine
häuslichen Verhältnisse. Er selbst war kein
Gelehrter im gewöhnlichen Sinne des Wor-
tes, aber er trieb mit großem Eifer das Stu»
dium philosophischer, mathematischer und der
schonen Wissenschaften. Chlum etzky's großes
und tressliches Geschichtswerk gibt im fünften
Capitel ein anziehendes Bild seines geistigen
Lebens und Webens. Der Ruf seiner Thä»
tigkeit ging bald weit über die Grenzen
st-ines' kleinen Stammlandes hinaus, und
wie hochgeschätzt der mährische Edelmann im
Auslande war, bezeugen die vielen Zueig-
nungsschriften, mit welchen die Gelehrten
seiner Zeit vornehmlich in Deutschland und in
den Niederlanden sich und ihn ehrten. Er
schrieb eine Geschichte seiner Zeit. die zwar
nicht gedruckt, aber doch von zwei gediegenen
Forschern. Ba lb in und Pessina benützt
wurde. Auch soll er. wie Balb in in „^Fi-
toins Nsr. Voli." Ub. V o. l3 berichtet, eine
Geschichte des böhmischen Krieges „HsUunz
doksmiouiQ" verfaßt haben. Wäre ja doch
Niemand mehr dazu berufen gewesen als gerade
er, der, über den Parteien stehend, Augenzeuge
aller Vorfallenheiten war. Aber das Werk,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Zichy-Zyka, Volume 60
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Zichy-Zyka
- Volume
- 60
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon