Seite - 14 - in Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
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vorwort14 39 So wären die Korrespondenzen des Fürsten mit
seinen Kindern für weitere Detailforschungen
lohnenswert, da diese oft nur kursorisch betrach-
tet werden konnten. Siehe Korrespondenz Niko-
laus II. mit Erbprinz Paul III. Anton, 1794–1829
im MOL Budapest ; oder Korrespondenz Niko-
laus II. an Prinzessin Leopoldine im Fürstlichen
Archiv Lobkowicz, Nelahosevez. Gleiches gilt
für ca. 1.000 Briefe von Fürstin Maria Hermene-
gilde, meist an Kaiserin Ludovika, 1810–1845 im
MOL Budapest.
40 Lieven 1995 bietet einen umfassenden Blick auf
die Adels(um)definition zwischen 1815 bis 1914
und klärt Begrifflichkeiten. Vgl. zuletzt zusam-
menfassend über die Definition von Adel um
1800 : Frie, Ewald : Adel um 1800. Oben bleiben ?,
in : zeitenblicke 4 (2005), Nr. 3, URL: http://
www.zeitenblicke.de/2005/3/Frie/index.html,
URN: urn:nbn:de:0009-9-2457 [13.12.2005].
41 Wehler 1990, S.
9 und 11.
42 Vgl. Sammelbände zur Adelsforschung um 1800 :
Reden-Dohna/Meville 1988 ; Wehler 1990 ; Fah-
renbach 1994 ; Lieven 1995 ; Asch 2001. Zum
neuesten Forschungsstand vgl. Conze/Winfort
2004. Für die österreichische Adelsforschung
siehe die wegweisenden Studien von Hannes
Stekl über Österreichs Aristokratie im Vormärz :
Stekl 1968 ; Stekl 1973 ; Stekl 1990 ; Stekl 2004.
Über die ungarische Adelskultur um 1800 gibt es
nur in Ansätzen Forschungen. Grundlegend und
voll weiterführender Literatur sind Wellmann
1988, der eine genaue Studie zu rechtlicher Stel-
lung und Besitz der Adeligen in Ungarn liefert,
die in erster Linie den Kleinadel behandelt, und
Evans 2001, der nur die Entwicklung bis 1789
betrachtet. Da Nikolaus II. sich vor allem am
deutschen und österreichischen Adel (Reichs-
adel) orientierte, sind die Forschungen hierzu für
diese Arbeit von größter Wichtigkeit gewesen.
zelprotokollen der Polizeihofstelle berücksichtigt. Jedoch mussten in Anbetracht
der gewaltigen Materialüberlieferung des 19. Jahrhunderts auch bei dieser Arbeit
Einschränkungen vorgenommen werden, um den Blick für das Wesentliche nicht
zu verlieren39.
Den sozialgeschichtlichen Blick auf das Leben des Sammlerfürsten ermöglich-
ten im Hinblick auf das Kunstfördern anderer Persönlichkeiten zwischen 1789
und 1848 zahlreiche Detailstudien zum Vergleich des Was und Wann, jedoch
fehlte auch hier meist der weiterführende Blick auf das wesentliche Warum und
Wozu. Für die im hochadeligen Standesdenken40 sozialisierte Person Nikolaus lag
der Fokus bei der Beantwortung dieser Fragestellungen vor allem auf der Adels-
forschung, um gesellschaftliche Lösungsansätze und Zusammenhänge zu finden.
Doch auch die moderne sozialhistorische Adelsgeschichte ist »terra incognita«, wie
es Hans-Ulrich Wehler 1990 feststellen musste und was bis heute gilt. Die Biogra-
fie über Nikolaus II. versucht denn auch, diese Forschungslücke zu füllen.
Es ist ein Phänomen der historischen Forschung, dass über den Niedergang der
europäischen Führungselite bzw. die fundamentale Transformierung der Adligen
von 1750 bis ins 20. Jahrhundert kaum etwas bekannt und analysiert wurde, was
daran liegen mag, dass es eine historische Entwicklung ist, die in Vielgestaltigkeit,
Schnelligkeit und Verknüpfung mit Ökonomie, Gesellschaft und Standesdünkel
eine äußerst »komplexe, besondere Herausforderung«41 darstellt. Die Sozialge-
schichte hat trotz vieler neuer Forschungen damit nach wie vor die Politikgeschichte
einzuholen, um so die Kunstgeschichte um ein weiteres Erklärungs- und Erkennt-
nisfundament zu ergänzen42.
Ziel und Methode
Die vorliegende Arbeit will Fürst Nikolaus II. Esterházy und seinem Wirken in
allen Lebens- und Existenzbereichen nachgehen, wobei seine überragenden Kunst-
aktivitäten als biografische Aussage per se und größter Schatz der Überlieferung
bis heute immer im Mittelpunkt der Betrachtung bleiben. Vier weitere Ebenen der
Betrachtung sollen den Lebensweg des Sammlerfürsten beleuchten :
1. Vor dem Hintergrund und im Zusammenhang mit der wandlungsreichen
Zeit, in der er lebte, soll das komplexe Kunstschaffen dargestellt und sollen die
Schwerpunkte innerhalb seiner verschiedenen Lebensphasen gekennzeichnet
und analysiert werden.
2. Dafür muss eine immanent kunsthistorische Betrachtungsweise verlassen wer-
den. In der Zusammenschau aller Initiativen, Einflüsse, Ergebnisse und Expe-
rimente von Nikolaus Esterházys Lebenslauf soll das facettenreiche Bild einer
Standesperson im Rahmen der Adelskultur und europäischen Gesellschaftsent-
wicklung entstehen. Nur so kann das bislang widersprüchliche Bild des Fürsten
erklärt und geklärt werden.
3. Durch diesen interdisziplinären Ansatz von Geschichts- und Sozialwissenschaf-
ten soll die Biografie Nikolaus’ II. betrachtet werden und ein Psychogramm eines
der bedeutendsten Sammler des 19. Jahrhunderts entstehen, das gleichzeitig die
zeitgenössische Kunstpraxis abbildet und damit auch für die Kunstgeschichte
von Bedeutung ist.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur