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PROBIEREN UND
SUCHEN118 260 Brief Griesingers an Breitkopf & Härtel, Wien,
28. Januar 1801, zit. nach : Deutsch 1982, S.
108.
261 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 23. August
1800, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 717.
262 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 4. August
1800, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 710.
263 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 4. August
1800, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 710.
geber nahm die Hamilton jedoch wenig Notiz, denn sie »bekümmerte sich … wenig
um seine Herrlichkeiten, und wich zwey Tage hindurch nie von Haydn’s Seite«260.
Die Prachtentfaltung des jungen Majoratsfürsten orientierte sich also nach wie
vor an der großen Festkultur seines Großvaters und Vaters. Dessen Baustellen am
Eisenstädter Schloss führte der junge Fürst weiter und begann, den Schlossbezirk
zu vergrößern. Eisenstadt wurde in ungeordneten Einzelaktionen, nicht einem
systematischen Plan folgend, architektonisch und gartenkünstlerisch gerüstet, um
Feste zu feiern. So erhielt die von ihm hochgeschätzte Kirchenmusik in der um-
gebauten Hofkirche, der Bergkirche, eine neue Heimstatt. Der englische Garten
verband in kleinen Partien Schloss und Theater.
Bei Festaufwand und Bauaufgaben, mehr noch den Bauvisionen, ignorierte Ni-
kolaus – ebenso wie sein Vater – die Zeitumstände und gesellschaftlichen Um-
brüche im Europa der Aufklärung und der Französischen Revolution. Denn Fürst
Nikolaus II. sorgte zwischen 1795 und 1802 ungerührt für feierliches Aufsehen
und bot Sensationen, die bis heute legendär sind, wie der Besuch der »ménage à
trois« um Lord Nelson. Vor dem Hintergrund des sich rasch wandelnden Schloss-
bezirks von Eisenstadt wurde – von heutiger Perspektive aus – sogar nationale Mu-
sikgeschichte geschrieben, da hier die spätere österreichische Kaiser- und deutsche
Nationalhymne in der heute bekannten Form uraufgeführt wurde. Der junge Fürst
hielt Hof, zog internationale Künstler und Gäste an und suchte dabei nicht nur
mit seiner Prachtentfaltung zu beeindrucken, sondern auch ungeduldig und meist
hastig überstürzt nach der Form seiner baulichen Umgestaltungsideen.
8.2 Depression und Vision
Das stetig suchende Probieren in den künstlerischen Ausdrucksformen, die wach-
senden Bauaufgaben, sein Spiel mit königlicher Würde in revolutionären Zeiten, die
ihm auferlegten Verpflichtungen dem Militär gegenüber, die mit Innovationskraft
voranzutreibende Majoratsführung, die scheinbar immer neue Sensationen verlan-
gende, ausufernde Repräsentationskultur, die Aufgaben als Familienoberhaupt und
Vater, aber auch die Rolle als eifersüchtiger Liebhaber verursachten im Spätsom-
mer 1800 erstmalig Symptome einer Depression. Nikolaus fühlte sich überlastet,
ausgebrannt und klagte im siebten Jahr seiner Regentschaft : »Je travaille comme
un forçat.«261 Er war am Ende seiner Kräfte, war unruhig und zerstreut. Ihm seien
seine umfangreichen Aufgaben im Dienste des Majorats und Staates eine Bürde,
zu anstrengend, zu unangenehm und zu belastend, befand er. Die Erfüllung seiner
dynastischen Pflichten und der Aufgaben des Standes und der Familie wurden ihm
einfach zu viel. Selbst wenn er sich zur Ruhe legte, kreisten die Gedanken um seine
Aufgaben, Pflichten, Zwänge, »dass die Idee davon weiter herrscht und sich des
Geistes ermächtigt, so wie der schlechte Geschmack einer Medizin am Gaumen
fortbleibt«262. Nikolaus konnte nicht mehr abschalten. Den daraufhin konsultierten
Ärzten musste er versprechen, sich zurückzuziehen und sich körperlich zu schonen,
um seine angegriffenen Nerven zu beruhigen. Deshalb verließ Nikolaus Wien und
ging nach Eisenstadt. Doch seine Unruhe verlor er auch auf dem Lande nicht. So
schrieb er, sein Geist sei »im ständigen Aufbruch und wird es bleiben, genauso wie
die Bewegung des Perpendikel unentbehrlich ist, um die Uhr in Bewegung zu hal-
ten und die Stunden anzuzeigen«263.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur