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Als regierender Souverän feierlich und ambitioniert 123
283 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 30. April
1797, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 669. tivität weg vom gigantischen Rokokoschloss auf dem Lande hin zu vielen kleinen
Einzelprojekten und baute gleichzeitig im Wiener Majoratspalais, in der Residenz
auf der Landstraße, dem Eisenstädter Schloss und am dortigen Schlossbezirk. In
der künstlerischen Gestaltung seiner Umwelt übernahm der Fürst Planungen sei-
nes Vaters, griff aber auch brandneue architektonische Strömungen aus Paris auf.
Mit der Anlage des Landstraßer Gartens provozierte er die Wiener Gesellschaft
mit erotischen Details und schuf einen der ersten Landschaftsgärten in Österreich.
Doch er fand zu keiner eigenen Architektursprache, da er sich nicht die Zeit und
den Raum ließ, systematische Überlegungen und Pläne reifen zu lassen ; vielmehr
verwarf er, verwirklichte Ideen nicht, stieß Vorhaben um, suchte. Er fühlte sich ge-
trieben, dabei war er es selbst, der sich mit seiner Ungeduld und seinem Perfektio-
nismuswahn hetzte. Auch das intellektuell als Ausdruck der Bildungswelt gedeutete
stilpluralistische Bauen bewies beim Blick auf die vielfältigen Baustellen Nikolaus’
einmal mehr seine Unentschlossenheit. Der Fürst wollte bauen, doch er wusste
nicht, wie. Er wollte Neues, doch er hatte noch keinen Mut, das Etablierte zu über-
winden. So stand er sich selbst und seinen durchaus guten Ansätzen im Wege.
Am Ende der ersten Phase seiner Regierungszeit scheiterte er an seinem un-
bändigen Veränderungswillen auf zu vielen Gebieten, denn die Überlastung verur-
sachte eine lähmende Depression. Der ungestüme und ungeordnete Reformdrang
des jungen Majoratsherrn, der auf die aufgestaute innere Entwicklungsdynamik
seiner Zeit reagieren wollte, scheiterte am Fehlen von klaren Visionen und Kon-
zepten. Nikolaus hatte aktionistisch danach gesucht, wie der überlieferte Stand zu
bewahren und eine neue Legitimation der Macht zu finden sei. Beim Balanceakt
mit unabsehbarem Ausgang endete der Siebenunddreißigjährige zusätzlich in einer
Finanzkrise, die 1802 die Vielzahl der Projekte unterbrach. Doch durch die Beruhi-
gung der politischen Lage Europas konnten neue Ideen und Pläne geboren werden.
Nikolaus II. hatte in seiner Zeit des Suchens immer auf diesen Moment gewartet,
denn »[w]enn der Friede bestätigt wird, werden wir umsomehr genießen können,
als dass wir zur Zeit unter den Widersprüchen leiden«283.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur