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GESTALTEN WIE EIN
KÖNIG126 4 Reichardt 1805, S. 98.
5 Nikolaus schreibt, er küsse Henriette, nur nicht
in Anwesenheit der Schwestern, die er dann auch
küssen müsse (vgl. Nikolaus II. an Henriette
Zielinska, 23. [wohl März] 1803, in : MOL,
FAE, P134, E, Nr. 905).
6 Er war der erste Dr. juris in Österreich, konver-
tierte 1798 zum Christentum (vgl. Staudacher
2002, Teil 2, S. 219) ; die Wiener Behörden
bespitzelten Joelson als französischen Spion,
denn er hatte als Wucherer und Spekulant einen
schlechten Ruf (vgl. Carl von Joelson, in : ÖStA,
AVA, Polizeihofstelle 1808/264 und 1812/3000)
– »… in den Prater … sahen den Fürsten in Joel
eingeschlungen, herausgehen, später kam auch
die Szilinska dazu« (Rosenbaum, Karl Joseph :
Tagebücher, 24. Juni 1806, in : ÖNB, Han, Ser.
199, S. 3r.). 1826 geadelt als Ritter von Joelson
(ÖStA, HHStA, kaiserliche Handbilletten 1826,
26. Oktober 1826).
7 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 20. Dezem-
ber 1802, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 749.
8 Die Zielinska folgte Anfang Jänner 1803 nach
Paris, wo sie separat im Hotel in der Rue de
Royale direkt an der heutigen Place de la Con-
corde wohnte (vgl. Johann Karner an Henriette
Zielinska, 12. Januar 1803, in : MOL, FAE,
P134, E, Nr. 931). Am 5. März war sie bereits in
Paris (vgl. Nikolaus II. an Henriette Zielinska,
5.
März 1803, in : MOL, FAE, P134, E,
Nr. 776).
9 Reichardt 1805, S. 38 (Brief vom 7. Januar 1803).
zeitigen Reorganisation des absolutistischen Machtgedankens wurden selbst von
den Demokraten ignoriert, da die wiedergefundene Ruhe, Ordnung und Stabilität
mehr galten als die politische Partizipation, für die gerade noch so epochemachend
eingetreten worden war. Auch in den anderen Teilen Europas umgab Napoléon,
seit 1802 Konsul auf Lebenszeit, die Aura des Außergewöhnlichen. Als »Genius«
stilisiert, galt er mit seiner neuen Rechtsordnung als Überwinder der Revolution,
war Ordnungsstifter und Friedensbringer. Napoléon wurde schnell zur Inkarnation
von Herrschaft und ließ eine kulturelle Blüte aufziehen, für die er auch den alten
Adelshass überwand.
In den Schaufenstern der Stadt priesen Napoléon-Bilder den neuen Heroen.
Dieser scharte einen stetig wachsenden Hofstaat um sich, residierte in den alten
Königspalästen, ließ die alten Feste des Hofes wieder aufleben und strebte mit Il-
luminationen »wieder zu den alten Späßen für den Pöbel«4, wie ein deutscher Rei-
sender 1802 kritisch beobachtete. Denn eigentlich schwang sich Napoléon macht-
besessen ohne legalistische Skrupel zum Gebieter Frankreichs auf und nutzte den
Staat wie sein persönliches Eigentum. Dieses in der europäischen Geschichte nie
da gewesene Phänomen – ein imperialer Emporkömmling mit außerordentlicher
innovativer Kraft – übte auch auf Nikolaus II. Anziehungskraft aus. Die europäi-
sche Friedenszeit lockte daher 1802 auch ihn in die französische Hauptstadt, wo
er reiche Inspirationen für seine eigenen Kunst- und Bauprojekte sammeln wollte.
1.1 Begegnung mit Napoléon
Bereits vier Monate nach der feierlichen Installation des ersten »Napoleontages«
am 15. August 1802, den der neue Herrscher zur Steigerung seines Persönlichkeits-
kults forciert hatte, brach Fürst Nikolaus II. Mitte Dezember von Wien nach Paris
auf. Zusammen mit seinen Schwestern Maria Theresia, verheiratete Gräfin Csáky5,
und Leopoldine sowie deren Ehemann Fürst Anton Grassalkovics (1771–1841)
reiste der Fürst mit dem Hof- und Gerichtsadvokaten Karl Raphael Joelson (um
1762–1827), der als Intimfreund in fast alle Finanzgeschäfte des Majorats einge-
bunden war6. Am 1. Januar 1803 sollte diese Reisegesellschaft in Paris »einmar-
schieren«7, wie er enthusiastisch Henriette Zielinska schrieb, die nchfolgte8.
Schon wenige Tage nach seiner Ankunft, am 5. Januar, war Fürst Nikolaus II. mit
seinem Gefolge in den Tuilerien, wo sich Napoléon bei seinen täglichen Audienzen
wie ein Monarch gebärdete. Napoléon schritt die Reihe der Gäste ab, in der auch
der Esterházy-Fürst stand, schien wenig aufmerksam und richtete kaum Worte an
die Anwesenden : »Er hatte indeß wieder zu allen dieselbe freundliche Miene, ohne
mindeste Modification, sprach mit derselben heitern, tiefen Stimme, und lachte im-
mer dazwischen, so in sich, krampfhaft«9, berichtete ein anderer Gast der Audienz.
Nikolaus war vom damaligen österreichischen Gesandten in Paris eingeführt wor-
den und trat in österreichischer Generalsuniform auf, zu der er – wie am Wiener
Hof üblich – Stiefel und Sporen trug. Vor dem anschließenden Dinner mit Napo-
léon wurde er jedoch aufgefordert, diese abzulegen, da man in Gegenwart des Kon-
suls bei Tisch nur Strümpfe und Schuhe tragen durfte. Neue Zeiten, neue Etikette,
in die sich Nikolaus fügte und angesichts derer er all seine Standes dünkel gegen-
über dem »korsischen Soldaten« und den Maßregelungen seines Hofstaates ablegte.
Der neugierige Fürst Nikolaus war von der Durchsetzungs- und Entschlusskraft Fürstin Leopoldine Grassalkovics, geborene
Prinzessin Esterházy (1776–1864), Gemälde von
François-Pascal-Simon Gérard (1770–1837), 1803.
Esterházy Privatstiftung, Schloss Eisenstadt (aus
dem Nachlass der Dargestellten).
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur