Seite - 200 - in Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
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GESTALTEN WIE EIN
KÖNIG200 249 Nikolaus jammerte schon am Ende des ersten
Jahres unter der finanziellen Last ; vgl. Niko-
laus II. an Henriette Zielinska, 17. November
1807, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 823. Fürst
Nikolaus stellte eine Einlage von 200.000 Gul-
den zur Verfügung ; vgl. Dietrich/Grossegger
1976, S. 18.
250 Vgl. Rosenbaum, Karl Joseph : Tagebücher,
1.
Januar 1807, in : ÖNB, Han, Ser. 199, S. 24v.
251 In diesem Zusammenhang erhoffte sich auch
Ludwig van Beethoven 1807 eine Festanstellung
bei den Theatern. In seinem Bewerbungsschrei-
ben warb er zur »Veredelung des Geschmacks«
angestellt zu werden und damit seinen Genius
zu neuen, höheren Idealen aufschwingen lassen
zu können (vgl. Ludwig van Beethoven an das
neue Theaterdirektorium, 1807, zit. nach : Fuchs,
Aloys : Wiener allgemeine Musik-Zeitung, 1. Juli
1847). Doch Beethovens zunehmende Schwer-
hörigkeit und bekannte Streitsucht hielten die
Direktoren von einer Festanstellung ab. Beetho-
ven nannte Lobkowitz und Esterházy daraufhin
in einem Brief ein »fürstliches Gesindel« (vgl.
Thayer 1917–1923, S. 7).
252 Schmidt nahm auch Kontakt mit Karl Friedrich
Zelter (1758–1832) auf, dessen berühmte Ber-
liner Singakademie ebenfalls im Oktober 1806
geschlossen worden war (vgl. Karl Friedrich
Zelter an Johann Wolfgang Goethe, 17. De-
zember 1806, in : Klassik Stiftung Weimar
[Hg.] : Regestenausgabe Briefe an Goethe,
Nr. 5/562 [http://ora-web.swkk.de/swk-db/
goeregest/index.html]).
253 Rosenbaum, Karl Joseph : Tagebücher, 24.
Januar 1809, in : ÖNB, Han, Ser. 199, S. 197v.
254 August Wilhelm Ifflands Bericht über ein
Treffen mit Joseph Haydn, 7. September 1807,
zit. in : Schmidt 1856, S. 174.
255 Als Iffland von der Bühne sprach, dass er
glücklich sei, bei den Ungarn zu spielen, die
eine Nation seien, deren unverbrüchliche Treue
zum Herrscherhaus in die Geschichte eingehe,
erzürnte sich Nikolaus II. – Seiner Auffassung
nach gehörten politische Lobsprüche nicht
auf die Bühne, denn diese sei das Medium
der Zerstreuung. Nikolaus attestierte Iffland
das Fehlen von »discernment und Klugheit«
(Schmidt 1856, S.
168), da solche Äußerungen
zudem im Klima der politischen Gereiztheit
von außerordentlicher Gefahr seien. Dennoch
wurde versucht, Iffland mit enormen Gehalts-
zusagen und Vergünstigungen seitens Nikolaus
an die Wiener Theater zu binden, woraufhin er
an Heinrich Schmidt schrieb : »Vernunft, Calcül
und Neigung für Ihren lieben Fürsten sagen –
nach Wien ! Herz, Dankbarkeit und Liebe für
den König – sagen Berlin !« (August Wilhelm
Iffland an Heinrich Schmidt, 21. November
1808, zit. in : Schmidt 1856, S. 195).
256 Am 20. Mai 1808 (vgl. Wolf 1875, S.
301).
257 Vgl. Rosenbaum, Karl Joseph : Tagebücher,
28. Januar 1809, in : ÖNB, Han, Ser. 199, S.
197v.
Im Verbund mit dem Fürsten Schwarzenberg und den Grafen Franz Lodron, Franz
und Nikolaus Esterházy, Ferdinand Pálffy und Stefan Zichy waren Fürst Franz Jo-
seph Lobkowitz und Nikolaus II. die beiden einflussreichsten Theaterunternehmer,
da sie am meisten in dieses Minusgeschäft des Theaterbetriebs investierten249.
Eröffnet wurde die neue Direktion am 1. Januar 1807 mit Willibald Glucks Iphi-
genie auf Tauris im Theater am Kärntner Tor, wobei Nikolaus und seine Kollegen
sich in der Theaterloge sehen und wohl auch ein Stück bewundern ließen250. Nach
der Aufteilung der Sparten untereinander war Fürst Nikolaus für die Konzertpro-
grammierung und Personalfragen zuständig251. Er plante, für die Wiener Theater
Berliner und Weimarer Schauspieler anzuwerben, wofür er seinen Theatersekre-
tär Schmidt im Dezember 1806 in beide Städte sandte. Nach dem Einrücken der
Franzosen in Norddeutschland waren die Theater Berlins und Weimars deutlich
verkleinert worden und daher qualifiziertes Personal frei, was Nikolaus II. wusste
und für seine Kunstaktivitäten nutzen wollte252. Sogar den sicher berühmtesten
Schauspieler und Theatermann seiner Zeit, August Wilhelm Iffland (1759–1814),
wollte Nikolaus II. nach Wien verpflichten und »mit ihm die Regie [des Theaters]
theilen«253. Damit bewies er wiederum Modernität, Wissen über die Vorgänge in
der Kunstszene, aber auch ausgeprägtes Selbstbewusstsein, denn schließlich musste
Iffland dem König von Preußen abgeworben werden.
Iffland repräsentierte wie kein anderer das Theater um 1800. Er war ein glänzen-
der Schauspieler, als Theoretiker prägend für einen neuen psychologischen Theater-
stil und zudem produktiver Dramatiker. Auch Goethe hatte sich vergebens um Iff-
land für sein Weimarer Theater bemüht. – Nikolaus zog für dessen Abwerbung alle
Register und hatte sogar Haydn eingespannt, der Iffland »von dem Wohlgefallen,
welcher ihm dieser [sein Fürst] beweise, von den Verdiensten des Esterházy’schen
Hauses um die Künste«254 berichtete. Mit Erfolg, denn im Sommer 1808 kam Iff-
land zu einem Gastspiel nach Wien und an den Eisenstädter Musenhof. Dort emp-
fing Nikolaus ihn mit allen Ehren und ließ ihn in Pressburg auftreten, wo der Fürst
sich allerdings über politische Andeutungen des Heroen erzürnte255. Dennoch hielt
Nikolaus an seinem Angebot bis Ende 1809 fest, als Iffland aus Treue zu Friedrich
Wilhelm III. von Preußen schließlich ablehnte und später Berliner Theaterdirektor
wurde. – Welch ein Coup wäre es gewesen, Iffland nach Wien zu holen, was selbst
Goethe schon für Weimar vergebens versucht hatte !
Doch auch am sonstigen kulturellen Leben nahm Nikolaus in Wien unermüd-
lich teil. Als seine Tochter in Eisenstadt geheiratet hatte, gab er am 29. Juni 1806
im Saal des kaiserlichen Augartens ein Konzert, das Hummel dirigierte. Auch zum
Jubiläumsfest der Ursulinerinnenkirche in Wien sandte der Fürst stolz seine Mu-
sikkapelle, die mit zehn Kutschen in die Stadt gebracht wurde, um unter Hummels
Leitung eine seiner Messen zu spielen256. Sein Tenor Grell, den Nikolaus in Berlin
hatte anwerben können, trat wiederholt in den Theatern Wiens auf 257. Immer wie-
der war das Majoratspalais Aufführungsort von großen Sing- und Instrumental-
abenden, die gesellschaftliche Glanzpunkte waren und musikalische »Neuigkeiten«
nach Wien zogen. So dirigierte am 8. Januar 1809, dem Tag des jährlichen Ester-
házy-Neujahrskonzerts, der damals noch recht unbekannte Frühromantiker Con-
radin Kreutzer (1780–1848) eine Poesie nach Schillers Taucher. Außerdem nahm
Nikolaus an unzähligen festlichen Paraden, Empfängen und Messen teil und war in
diesen Jahren eine der wichtigsten Figuren im Gesellschafts- und Kulturleben der
kaiserlichen Residenzstadt.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur