Seite - 217 - in Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
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Der Fürst wird in seinem Stand erhöht 217
an diesem traditionellen Ort einen König zu
wählen, wollten die ungarischen Adligen lieber
zu Hause bleiben. Der Wunsch der Grundbesit-
zer in diesen Tagen nach einem sanften Früh-
lingsregen und einem langen Krieg wurde zum
geflügelten Wort (vgl. Fónagy 2005, S. 428f.).
323 Prinz Paul (III.) Anton und Fürst Nikolaus
waren gemeinsam am 20. und 21. Juli an der
Tafel des Kaisers, dann ab 2. August nur noch
Paul ; vgl. Skall, Johann Baptist : Historische Me-
moires denkwürdiger Begebenheiten am kaiserlich
oesterreichischen Hofe in den Jahren 1808, 1809
und 1810. Von einem Augenzeugen, 2. Teil (1809),
S.
472, in : ÖNB, Han, Ser. nov. 12.156.
324 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 12. August
1809, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 855.
325 In seinem Tagebuch bezeichnet Friedrich von
Gentz am 10. August 1809 die politischen An-
sichten Nikolaus’ II. als vulgäre Übertreibungen
(vgl. Gentz 2004, S. 107).
326 Vgl. Nikolaus II. an Henriette Zielinska,
12. August 1809, in : MOL, FAE, P134, E,
Nr. 849.
327 Vgl. Rosenbaum, Karl Joseph : Tagebücher,
18. August 1809, in ÖNB, Han, Ser. 199, S. 241v.
328 Eignung Pauls III. Anton als Diplomat, in :
ÖStA, AVA, Polizeihofstelle, 1813/790, 8. Feb-
ruar 1813.
329 Finanzverhältnisse, in : ÖStA, AVA, Polizeihof-
stelle, 1811/3124, 9. Juli 1811.
330 In der Niederlassung Prinz Paul Antons als
Botschafter von Österreich in London, Chan-
dows House, befanden sich um 1830, also nach
dem Tode Napoléons, allerdings zahlreiche
Bildnisse des Kaisers, was von seiner Faszina-
tion für den Korsen berichtet (vgl. MOL, FAE,
P112, Inv. 145).
331 »Ich werde einschlagen ins Haus wie eine
Bombe« (Nikolaus II. an Henriette Zielinska,
8. Oktober 1809, in : MOL, FAE, P134, E,
Nr. 848).
332 Vgl. Liste der entwendeten Effekten aus Esz-
terház, in : EPA, DD 1809/6769, 29. Dezember
1809. Danach wurde das Schloss am 2. Juli beim
Durchzug der Franzosen beraubt.
333 Vgl. EPA, CD 1810/1079, 20. Februar 1810.
334 Vgl. EPA, CD 1810/290, 15. Januar 1810.
335 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 26. Novem-
ber 1809, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 863.
336 So mussten 900 Mann versorgt und z. B. binnen
sechs Tagen 168 Ochsen und große Mengen an
Früchten an die Franzosen abgeben werden (vgl.
Rosenbaum, Karl Joseph : Tagebücher, 13.
Juni
1809, in : ÖNB, Han, Ser. 199, S.
229v.). Be-
auharnais jagte im Eisenstädter Tiergarten
(vgl. Jovanovics 1931, S. 33), verschickte Ei-
senstädter Wildbret nach Italien (vgl. EPA,
DD 1809/4836, 31. August 1809). Als am
30. August Napoléon zu Gast im Eisenstädter
Schloss war, wurde ein Feuerwerk abgebrannt,
das später der Fürst bezahlen musste (vgl. EPA,
DD 1809/5778, 19. November 1809 ; 6834, rischen Stände vor einer Revolution in Ungarn führte zu einer Leidensgenossen-
schaft mit Franz. Und selbst die, die von den Idealen der Französischen Revolution
begeistert waren, sahen in der Hinwendung zu Napoléon nur eine neue Abhängig-
keit, die gegen eine alte getauscht werden würde322. Zudem war Napoléon in der
Schlacht bei Aspern (21./22. Mai) zum ersten Mal militärisch in die Knie gezwun-
gen worden. Sein Glorienschein der Unbezwingbarkeit begann zu schwinden.
Jedoch folgte hierauf in den Schlachten im ungarischen Raab (14. Juni) und in
Wagram (5./6. Juli) schnell wieder Desaster um Desaster für Österreich, auch wenn
Napoléon stark geschwächt worden war. Am 30. Juli musste der glücklose Erzher-
zog Carl sogar das Kommando an Fürst Johann I. Liechtenstein, Nikolaus’ Schwa-
ger, abgeben. Bei den anschließenden Friedensverhandlungen Österreichs in Unga-
risch-Altenburg/Mosonmagaróvár versuchte Fürst Clemens Metternich als neuer
Außenminister, Vertrauen zu Napoléons Führung aufzubauen und einen Ausgleich
herbeizuführen. Als Metternichs Zweiter Ministerialsekretär spielte hierbei Erb-
prinz Paul Anton323, Nikolaus’ Sohn, eine wichtige Rolle, während sein Vater im
fernen Pest, wohin er geflohen war, kritisierte : Er sehe in den Verhandlungen nichts
als die absolute Kapitulation vor Napoléon, welcher den »Eseln in den Hintern
treten«324 werde. Das Ziel der Bemühungen seines Sohnes sah er nicht. Statt mit
Napoléon zu verhandeln, solle man kämpfen, um den Untergang des Landes zu
verhindern325. Und während Nikolaus in seinem Amt als Offizier des Generalquar-
tiermeisterstabes und Feldzeugmeister des Offiziercorps des 32. Linien-Infanterie-
regiments unwillig zur Inspektion der 5. Division nach Levenz reiste326, trank sein
Sohn in Altenburg zum Geburtstag Napoléons (15. August) auf dessen Wohl327.
Auch in Wien wurde Napoléon gefeiert, Glückwünsche erreichten den Feldherrn
selbst von Kaiser Franz I. Dieser Stimmungsumschwung führte sogar so weit, dass
noch später die Polizeihofstelle mutmaßte, dass Prinz Paul Anton die »linke Hand
von Kaiser Napoléon«328 geworden sei und »die Franzosen sich geschäftigten, ihn
zum König von Hungarn zu machen«329. Jetzt war die Königswürde Ungarns also
auch noch dem Erbprinzen »angedichtet worden«, denn auch hierfür gibt es keine
überlieferten Nachweise330.
Als am 14. Oktober 1809 mit dem Schönbrunner Frieden der Krieg endlich
beendet wurde, verlor Österreich durch Abtretung erheblicher Gebiete seine Groß-
machtrolle und wurde zu einem Binnenstaat dezimiert. Nikolaus wollte nicht länger
im fernen Pest warten und kündigte seine Rückkehr in Wien an : »… je tomberai à
la maison come une bombe.«331
Im November 1809 kehrte er an seinen Eisenstädter Musenhof zurück, wo die
Bauarbeiten seit fast einem Dreivierteljahr still standen : Die Samen der Pflan-
zenhäuser waren verfault, der Garten vertrocknet, die Theaterbühnen leer, Schloss
Eszterház geplündert332. Am Marientempel im Föhrenwald war der Jagdgöttin der
Kopf abgeschlagen worden333, und im Schloss hatten die Franzosen die Idealvedu-
ten seiner erträumten Kulturlandschaft mit Bajonetten zerschnitten334. Nikolaus
erzürnte sich über die »Blödheiten«335 seiner Angestellten, die seinen Besitz vor
den französischen Truppen nicht besser zu schützen verstanden hatten. Für fast drei
Monate (ab dem 19. Juli 1809) hatte Napoléons Adoptiv- und Stiefsohn Eugène de
Beauharnais (1781–1824) im Schloss Eisenstadt residiert und dem Majorat unge-
heure Belastungen zugefügt336. – Anders als die Beschädigungen in den Esterházy-
Schlössern waren die Kunstsammlungen glimpflich durch die Zeit der französischen
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur