Seite - 240 - in Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
Bild der Seite - 240 -
Text der Seite - 240 -
GESTALTEN WIE EIN
KÖNIG240 448 Abschaffung der Mätresse des Fürsten, in :
ÖStA, AVA, Polizeihofstelle, 1811/1262/e/11
(19. August 1811).
449 Vgl. Abschaffung der Mätresse des Fürsten, in :
ÖStA, AVA, Polizeihofstelle, 1811/1262/e/11
(23. August 1811).
450 Nach der ungarischen Verfassung war der
Kaiser bzw. König hiergegen nahezu machtlos.
Denn er konnte den Reichstag nicht einfach
außer Acht lassen, da Ungarn eine starke stän-
dische Verfassungsmäßigkeit hatte und in der
Selbstverwaltung der Komitate umfangreiche
Rechte gegenüber dem Souverän besaß.
451 Finanzverhältnisse Nikolaus’ II., in : ÖStA,
AVA, Polizeihofstelle, 1811/3124 (13. August
1811).
452 Finanzverhältnisse Nikolaus’ II., in : ÖStA,
AVA, Polizeihofstelle, 1811/3124 (26. Juli
1811).
453 Vgl. Clemens Metternich an Nikolaus II.,
13. August 1811, in : MOL, FAE, P163, Fasz. 8,
Nr. 177.
454 Vgl. Zichy, Entfernung von den Staatsgeschäf-
ten als Gegner des Finanzpatents, in : ÖStA,
AVA, Polizeihofstelle, 1811/22/u/22k und
1811/1262.
455 ÖStA, AVA, Polizeihofstelle, 1811/1262 e/11,
23. Mai 1811.
8.1 Der Fürst opponiert gegen den Kaiser
Sofort nach dem Erlass der staatlichen Preislimitation im Frühjahr 1811 stellte sich
Fürst Nikolaus II. in seiner Funktion als Ödenburger Obergespan gegen das kai-
serliche Patent und damit gegen seinen Souverän Kaiser Franz, den er seit Jahren ja
regelrecht umworben hatte, um die gewünschte Standesverbesserung zu erreichen.
Nikolaus rechtfertigte sich : Er müsse diese Mittel ergreifen, »denn ich verliere eine
ungeheure Summe Geld, durch die Heruntersetzung der alten Banko Zetteln …
12x und noch mehr verliere ich«448.
Noch auf dem Anfang August 1811 in Pressburg zusammenkommenden Un-
garischen Reichstag lehnte er als Obergespan von Ödenburg zusammen mit den
Obergespanen der Komitate Eisenburg, Fürst Philipp Batthyány (1781–1870), Sü-
megh, Graf Franz Széchényi (1754–1820), und Raab, Graf Carl Zichy, die Legali-
sierung der Devalvation ab. Ferner weigerten sich diese einflussreichsten Magnaten,
die 1.000 Millionen Gulden für die Entschuldung des Landes bereitzustellen449,
und drohten an, den Verkauf der Agrarprodukte zu stoppen, bis wieder vernünftige
Preise zu erzielen seien450. Gegen dieses als unpatriotisch gescholtene Verhalten der
Ungarn mehrte sich in Wien Unmut. Die Magyaren verhinderten damit den Kurs
der Entschuldung des Habsburgerstaates. Es hieß : »[I]n Ungarn thut jeder, was er
will«, daher seien nun »mehr Banco Zetteln vorhanden …, als man seit Christi Ge-
burt Minuten zählt«451 ; selbst eine Hungersnot wurde skandaliert. Entsprechend
versuchte Franz I. mit drastischen Mitteln die ungarischen Aristokraten zu dis-
ziplinieren und tadelte z. B. Fürst Nikolaus für seine Haltung mit einem »derben
Verweis«452, warf ihm unpatriotisches Verhalten vor und verwehrte ihm eine Reise
nach England453. Nikolaus Vertrauter, Graf Zichy, wurde als Kriegs-, Staats- und
Konferenzminister abgesetzt454, die Zensur in Ungarn verschärft und von Fürst
Clemens Metternich sogar vorgeschlagen, die ungarische Verfassung aufzuheben
und das absolutistische System Österreichs auch auf das Königreich auszuweiten.
Doch einstweilen hob Kaiser Franz als ungarischer König nur den Reichstag auf,
übernahm die Regierung Ungarns und setzte sein Patent mit Notverordnungen
durch. Fast alle ungarischen Reichstagsabgeordneten wurden unter Beobachtung
gestellt und auch Nikolaus II. in dieser Zeit verstärkt bespitzelt. Die Polizeihofstelle
berichtete in diesen Tagen auch über das fehlende national-österreichische Enga-
gement des Esterházy-Majoratsherrn. Der Fürst versorge lieber seine Mätresse mit
Geld, als seinem Souverän zu folgen, und schaffe Geld ins Ausland, um sich abzu-
setzen. Daher hätte er alle Bauprojekte in der Eisenstädter Kulturlandschaft beendet,
»auch sein Familienschloss in Eisenstadt nicht ausgenommen, das zur Hälfte be-
reits abgerissen … Die nur zum Theil neu aufgebaute Seite des Schlosses wird ganz
mit Brettern einbarquuirt, wozu Bretter bereits eingekauft worden sind.« Auch sein
Amt als Kapitän der Ungarischen Garde fülle Nikolaus kaum aus, »weil der Adel
in Ungarn schmutzig genug denkt, die zu ihrer Unterhaltung erforderlichen Fonds
nicht zu bewilligen. Welche Betrachtungen veranlaßt nicht dieses einzige Factum,
über die Constitution der Ungarn ! ! – Würde Fürst Esterházy dies unermesslichen
Verschwendungen treiben können, wenn ihn ein vermächtigere Konstitution, ver-
pflichte zu den Bedeutnissen des Standes verhältmißmäßig beizusteuern ? ?«455
Es begann – sicherlich von Fürst Metternich initiiert – eine Kampagne gegen
den prominenten und so omnipräsenten Fürsten, die mit den Themen Bescheiden-
heit vs. Verschwendungssucht, Moral vs. Mätressenwirtschaft, nationale Entbeh-
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur