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Sonne statt Wiener Kongress 261
3 Zum Mariahilfer Museum vgl. Körner 2012.
4 Grundlegend zum Mariahilfer Palais : Haider
1984, S. 170–174 ; Blaschek 1826 ; S. 226–229 ;
Binn 1914.
5 Hier war Papst Pius VI. 1782 empfangen wor-
den. 1794 bewohnte Erzherzogin Marie Chris-
tine das Haus.
6 Klarwill 1925, S. 87. Auch Kaunitz war wie
Nikolaus II. manisch-depressiv. Metternich
beschrieb ihn als von hoher Intelligenz, mal
fröhlich, mal schwermütig. Seine pathologische
Pädophilie und Sexsucht verursachte größte
Probleme mit sich selbst, der Gesellschaft und
dem Recht : »Seit seinem achtzehnten Jahre bis
zu seinem vierzigsten ist kein Tag vergangen,
an dem er nicht drei, vier, fünf oder sogar sechs
Frauen gehabt hätte. Du wirst Dir denken kön-
nen, wie wenig glücklich er war.« Metternich
schilderte weiter den fast lebensunfähigen letzten
Nachkommen einer großen Familiendynastie :
»Hätte ich ihn geschlagen, so hätte er auch dies
schweigend über sich ergehen lassen«, und sprach
von Krankheit. »Er ist so klug, wie man nur sein
kann, hat Geist und viele Kenntnisse, nun ist er
für nichts mehr zu haben, nicht einmal für sich
selbst« (Clemens Metternich an Gräfin Lieven,
22. Februar 1819, in : Metternich 1942, S. 196).
7 Akten zum sog. Domicialgut Obersitz (umfasste
die sog. Lauswiese zwischen ehem. Ratzenstadl,
Magdalenenstraße, Gumpendorfer Straße) :
MOL, FAE, P108, Rep. 21, Fasz. N, Nr. 19.
Akten zum Wasserwerksgelände, sog. Ziegel-
ofengrund, an der Mariahilfer Linie, Inskripti-
onsnummer 1764 mit weiteren Orangerien, der
Wassermaschine für das Palais und umgebende
Häuser : MOL, FAE, P108, Rep. 144cs., Fasz.
Q,1 und Rep. 21, Fasz. N, Nr. 11. Kauf des
Grundes Lauswiese von Aloys Kaunitz über den
Großhändler Joseph Jacob Löwenthal, 22. März
1814 für 120.000 Gulden CM durch Nikolaus
II., 14. Mai /23. Juni 1815.
8 Vgl. Nikolaus II. an Johann Karner, Neapel,
28. Februar 1817, in : MOL, FAE, P163, Fasz.
55, Nr. 1267 (Nr. 8).
9 Nikolaus II. an Johann Karner, Neapel, 8. No-
vember 1814, in : MOL, FAE, P163, Fasz. 51,
Nr. 1186.
10 Vgl. Inventarium Uiber die im hochfürstlich Kau-
nitz Rietberg Questenbergschen Gartengebäude zu
Mariahilf Nr. 40 befindlichen Mobilien, 2. Juni
1814, in. EPA, Prot. 5852.
11 Vgl. ehem. in : EPA, GC 1814, Fasz. 40, Nr.
867,
2. August 1814, zit. in : Meller 1915, Quellenteil :
Nr. 359.
12 Vgl. Carl Zichys Anweisung an Joseph Fischer,
ehem. in : EPA, GC 1814, Fasz. 40, Nr. 871, zit.
in : Meller 1915, Quellenteil : Nr. 361.
13 Vgl. Carl Zichy an Hausinspektor Joseph Giay,
24. Mai 1814, ehem. in : EPA, CD 1814/1330,
1131, zit. in : Meller 1915, Quellenteil : Nr. 352.
14 Vgl. EPA, CD 1814/1913, 1932, 25. August
1814. 1.1 Der Kauf des Mariahilfer Palais3
Schon im März 1814, während der tief greifenden Beschränkungen der Ausgaben
des verschuldeten Majorats, hatte der Intimfreund und Rechtsberater Fürst Niko-
laus’, Joel von Joelson, begonnen, den Kauf des Kaunitz-Gartenpalais4 im Wiener
Vorort Mariahilf zu verhandeln. Nikolaus schien besessen von der Idee, dieses auf
einem Plateau isoliert liegende Palais und seinen Garten vor den Toren der Stadt
Wien zu erwerben, um hier seine Kollektionen zu versammeln.
Seit 1764 hatte Staatskanzler Fürst Wenzel Anton Kaunitz den barocken Bau
des Mariahilfer Palais mit zahlreichen Nebengebäuden erweitert. Hier hatte er
seine Bildergalerie eingerichtet und das Gartenpalais zu einem gesellschaftlichen
Zentrum Wiens gemacht5. Jetzt gehörte die Anlage seinem Enkelsohn Fürst Aloys
Kaunitz-Rietberg (1774–1848), der seine Familiengüter wegen finanzieller Pro-
bleme veräußert und die Reste der Galerie seines Großvaters in das von Nikolaus
II.
erworbene Haus in der Dorotheergasse transferiert hatte. – Nikolaus und Aloys
Kaunitz waren gut miteinander bekannt und wegen ihres Privatlebens gleicher-
maßen berüchtigt : 1814 wurden die »schamlosesten Ausschweifungen« beider in
einem Atemzug angeprangert und schlussfolgernd festgestellt : »Die Hocharisto-
kratie ist derart verschuldet, verderbt und leichtsinnig, daß man – sollte es einmal
zur Aufhebung der Fideikommisse kommen – die Träger der vornehmsten Namen
Österreichs binnen weniger zehn Jahre der Armut preisgegeben sehen würde.«6
Doch Esterházy ignorierte die Kritik und schloss trotz dieser zu befürchtenden
»Armutsspirale« die Kaufverträge über den Garten um das Mariahilfer Palais, die
Wiesengründe mit einem großen Glashaus zum Wienfluss hin und die Flächen des
Wasserwerkes zur Versorgung der Anlagen7 ab und arrondierte alles zum »Esterhá-
zyschen Domicialgut Obersitz«8.
Auf dem Hauptgrundstück nahe der Mariahilfer Straße befand sich neben dem
barocken Gartenpalais, den westlich davon gelegenen Stallungen und einer kleinen
Reitschule auch der Komplex des sog. Hauptgebäudes, das aus mehreren Pavillons
und Wirtschaftsflügeln bestand und zwei herrschaftliche Wohnetagen umfasste. Im
Gartenpalais wollte Nikolaus II. seine Sammlungen unterbringen und im Haupt-
gebäude selbst wohnen. Darum bemühte er sich eifrig, »die schöne Aussicht des
Gartens nicht [zu] verlieren«9, die von den Terrassen des Hauses das Panorama
Wiens und den malerischen Wienfluss zeigte.
Wieder ging alles im gewohnten Eiltempo, denn am 24. Mai 1814 wies der Fürst
seinen Bevollmächtigten Graf Carl Zichy an, die gesamten Sammlungen und deren
verantwortliches Personal in das Gartenpalais10 zu transferieren : Bildersammlung
und Galeriedirektor Joseph Fischer, wieder in Amt und Würden, übersiedelten vom
21. Mai bis zum 24. Juni vom Laxenburger Haus11. Ende August folgten die grafi-
sche12 und die Büchersammlung mit Bibliotheksaktuar Georg v. Gaál vom Garde-
palais. Aus Schloss Eszterház wurden weitere Bücher geliefert. Das Mineralienkabi-
nett mit seinem Leiter Ignaz Schmidt v. Sonnberg kam aus dem Roten Haus13. Im
Gartenpalais wurden dafür Plafondgemälde gereinigt und Schränke für die Kupfer-
stich- und Zeichnungssammlung adaptiert14. Sogar das Personal für die Sammlun-
gen wurde aufgestockt, obwohl das restliche Majorat einen strikten Sparkurs von
Nikolaus’ Sachverwalter Zichy verordnet bekam. Vielleicht hoffte Zichy mit diesem
Zugeständnis an das neue Sammlungshaus die hochfliegenden und mehr denn je
unbezahlbaren Pläne für das Museum in Eisenstadt beenden zu können.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur