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Glanz abseits der Wiener Öffentlichkeit 339
399 Stekl 1973, S. 178.
400 Wehler 1990, S. 17, wirft diese Frage für den
Adel des Vormärz, also am Ende seiner tau-
sendjährigen Elitenherrschaft in Europa, auf.
401 Vgl. EPA, CD 1825/708, 7. Februar 1825. und schnell seine Sammlungen ausbauen konnte. Er hatte im Mariahilfer Palais
nach 1815 eines der ersten Museen des deutschen Idealismus geschaffen. Dabei
nahm er modebeflissen die aus dem aufgeklärt-idealistischen Geist entstammen-
den Ideen zum Universalmuseum für Bildung von Geschmack und Künstler auf,
ohne jedoch deren gesellschaftliche Tragweite zu reflektieren. Seiner Passion für
die Kunst folgend, baute er als einer der ersten Europäer eine höchst qualitätsvolle
Skulpturensammlung auf und sammelte auf Ratschlag seines Galeriedirektors Jo-
seph Fischer 1820/21 spanischer Meister, die erst um 1900 für die Kunstgeschichte
im vollen Maße ihrer Bedeutung entdeckt werden sollten. Damit war Nikolaus II.
in der Kunst Vorreiter und kann aus heutiger Sicht sogar als Innovator gelten. Doch
nach dem Tod seiner Berater 1822/24 offenbarte er sich am Ende seiner vierten
Lebensphase als hilflos suchender, unsicherer und wenig erfolgreicher Kunstför-
derer. Indem er versuchte, einen patriotisch motivierten Kunstauftrag zu vergeben
oder ohne Unterstützung von Experten sein Mariahilfer Museum umzustellen, war
er vergebens Moden und Zeitströmungen gefolgt, die er nicht mehr begriff oder
reflektierte.
Auch die hochadeligen Zeitgenossen verhielten sich in dieser Phase nach 1815
defensiv und zogen sich oftmals in die Kunst zurück. Auf den Landgütern fern der
Hauptstädte schufen sie gar paradiesische Gesamtkunstwerke, wie Fürst Johann
Adolf II. Schwarzenberg (1799–1888), der auf einem seiner böhmischen Güter ei-
nen künstlichen Urwald anlegen ließ, um sich der Alltagswelt zu entziehen, »wenn
Bürgertum, Bürokratie und Industriellengesellschaft an seinen überkommenen Pri-
vilegien rüttelten«399.
Doch die Adelswelt ging im hereinbrechenden Vormärz ihrer gesamtgesellschaft-
lichen Entmachtung entgegen. Ihre Versuche, administrative und wirtschaftspoli-
tische, aber auch patriotische Neuerungsmaßnahmen zu setzen, waren zu schwach
bzw. die sozioökonomische Gegenentwicklung der sog. Zweiten Gesellschaft zu
stark.
Fürst Nikolaus II. war von 1814 bis 1824 immer der Standesherr des Ancien Ré-
gime geblieben und folgte in seinem Handeln nach wie vor der Überzeugung, dass
es eben nichts Besseres gebe, als ein Esterházy zu sein. Auch wenn ihn insgeheim
der Gedanke beschlich, in einem – wie er schrieb – gesellschaftlichen »Labyrinth«
gefangen zu sein, lassen sich offensive Verbürgerlichungstendenzen, etwa durch die
Aufnahme des Leistungsprinzips oder des Patriotismus, in seinem Leben kaum fin-
den400. In seinem Selbstbild standen er und seine Familie unangefochten an der
Spitze der Gesellschaft. Bürgerliche Kritik und Konstitutionalismusforderung ver-
suchte er zu ignorieren bzw. stand diesem mit Unverständnis gegenüber.
Am 8. Februar 1825 lud Nikolaus II. in sein Museumspalais zu einem Faschings-
ball401, doch der einstige Glanz seiner Person, seiner Feste und seiner gesellschaft-
lichen Stellung war am Verblassen, und auch in der Kunstentwicklung hatte er den
Anschluss an seine Zeit verpasst.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur