Seite - 366 - in Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
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ENDE366 135 Hochfürstlich-Esterházysche Kupferstiche- und
Handzeichnungen Sammlung, 5 Bände, Über-
nahmeinventar 14. Juli 1859 von Kustos Gustav
Kratzmann, in : Museum der Schönen Künste
Budapest, Grafische Sammlungen, Archiv.
136 Die grafische Sammlung war als Letztes nach
Budapest verbracht worden (vgl. Inventar des
Mariahilfer Palais, 26. März 1860, aufgenom-
men von Nikolaus Wocher, in : MOL, P112,
Nr. 40, mit Abgangshinweisen 1865).
137 Beilage des Fremdenblattes, Jg. 1866, Nr. 140
(25. Mai).
138 Meist aus dem Bestand des Schlosses Potten-
dorf (vgl. hierzu : Gara 1999, S. 152ff.).
139 Bilder und Stiche, die im Juni 1865 nicht nach
Pest geführt worden sind : holländische Bilder
sowie Gemälde von Rembrandt, Correggio,
Murillo, Zurbarán, Espinosa, Spagnoletto, El
Grecos Bartholomäus, Valkenbergs Hochzeit Ne-
bukadnezer, Fialettis Hochzeit Kanaa, Fyts Eber
wird überfallen, Bilder nach Leonardo, Mengs’
Männliches Portrait (wohl Friedrich von Sach-
sen), Mengs’ Untertheil des Plafondstückes mit
Paris, Insel Mainau, Neugass’ Portrait Haydns,
Porträt des Bibliothekars und Galeriedirektors
Georg von Gaál, Darstellung des Tiergartens
bei Eisenstadt sowie Porträts von Paul Anton,
Johann Liechtenstein, Marie Esterházy, Mo-
ritz Liechtenstein, Auberts Napoleon zu Pferde,
Rauschenfels’ Paul Anton im Magnatenkostüm
auf Papier, zwei Aquatintaansichten von Neapel,
Büste Kaiserin Marie Louises als Gussform
aus Gips in Kiste, Büste Fürst Nikolaus’ II. als
Gussform aus Gips in Kiste (vgl. Inventar des
Mariahilfer Palais, 26. März 1860, in : MOL,
P112, Nr. 40), wovon die meisten bis heute
nachweisbar sind.
140 Vgl. Handelsblatt, 24. Juni 1871.
141 Vgl. Verzeichnis der disponiblen Werte, 1830er,
in : MOL, FAE, P163, Fasz. 4, Nr. 54 (darin :
Bildergalerie 538.572 Gulden, Grafische
Sammlung 160.786 Gulden). Vgl. Garas 1999,
S. 150.
142 Vgl. Petrovics 1937, S. 104.
143 Zur Eingliederung der Galerie in die ungarische
Museumslandschaft vgl. Garas 1999, S. 146.
Als einzige von Nikolaus’ Sammlungen zeugt bis heute die Gemälde- und Grafik-
sammlung in fast vollständiger Weise von seinem Sammlerfleiß. Laut dem letzten
Inventar waren es insgesamt 3.545 Handzeichnungen und 53.914 Kupferstiche in
fast 100 Portefeuilles135 sowie 637 Gemälde, die zwischen 1861 und 1865136 von
Fürst Paul III. Anton als Leihgabe in die ungarische Hauptstadt Pest transportiert
wurden : »Es waren wohl höhere Motive, die ihn leiteten. Das an Kunstschätzen
ganz arme Ungarn sollte seinen Musentempel haben … der erste Magnat des Lan-
des zu hohen Pflichten berufen, auch Schuldner des Vaterlandes sei.«137 Selbst die
Transportspesen wurden aus den Majoratskassen für das aufblühende Ungarn be-
glichen, während kurz darauf das Mariahilfer Palais verkauft wurde. In Erinnerung
an Nikolaus’ Lebenswerk wurde am 12. Dezember 1865, seinem 100. Geburtstag, in
der neuen ungarischen Akademie der Künste in Pest die Esterházy-Galerie eröffnet.
Die Sammlung war damit seit 1836 wieder dem Publikum zugänglich. Die restli-
chen ca. 500 Gemälde wurden verkauft138, nur wenige verblieben bei der fürstlichen
Familie139.
Paul III. Anton hatte damit kurz vor seinem eigenen Tod dem schwierigen Vater
und zumindest dem bedeutendsten Teil der einstmals so bemerkenswerten Samm-
lung ein Gedächtnis errichtet, dem selbstbewussten Ungarn nach dem Ausgleich
mit Österreich eine Kunstsammlung von Weltruhm leihweise anvertraut, die 1871
dann von Fürst Nikolaus III. veräußert wurde. 1,3 Millionen Gulden wurden dem
zwangsverwalteten Enkel des Galeriegründers vom Ungarischen Unterhaus be-
zahlt140, was wohl auch dem ungefähren Marktwert der Sammlung entsprach141,
wenngleich die Familie weit höhere ausländische Angebote aus Patriotismus aus-
schlug142. – Die von Nikolaus zeit seines Lebens sammlerfleißig als Prestige- und
Statusmittel zusammengetragene Kunstkollektion war als patriotische Geste der
Fürstenfamilie zur ersten bedeutenden Nationalsammlung Ungarns geworden und
ist bis heute im Museum der Schönen Künste in Budapest mit Abstand größter
und wichtigster Sammlungsteil143. Bis heute ist die Esterházy-Galerie fest mit dem
Namen Nikolaus II. Esterházy verbunden und überstrahlt damit den persönlichen
Niedergang am Ende seines Lebens.
Eine Insel und umfangreicher Güterbesitz für die unehelichen Kinder, ein Adelsti-
tel für die geliebte Mätresse, mit der fürstlichen Familie unversöhnlich zerstritten,
beinahe aus den Orden vom Goldenen Vlies entlassen, das Familienerbe ruiniert –
das schien kurzfristig als Bilanz der letzten sechs Lebensjahre von Nikolaus II.
Ester házy übrig zu bleiben.
Mit gewohnter Energie und Eigensinn hatte er seinem Souverän, der Familie
und besonders seinem Majoratsnachfolger, Erbprinz Paul Anton, getrotzt und noch
einmal durchsetzungsstark Gärten und Kunst geschaffen. Sogar den Grundbestand
für die heute so berühmte Blumeninsel Mainau im Bodensee hatte Nikolaus pflan-
zen lassen und damit ein letztes Mal seiner Passion für Botanik und Kunst gefrönt.
Dabei hatte er sich endgültig über die ökonomischen Zwänge und Gebote des Ma-
jorats hinweggesetzt und seine Familie in den Bankrott geführt.
Nach der Zahlungsunfähigkeit des Majorats 1829 und der – nur dem Schein
nach freiwilligen – finanziellen Entsagung 1832 hatte der Fürst noch versucht, sein
Seelenheil durch die Weiterführung einer ehemals in ganz Europa bedeutsamen
Musiktradition zu retten und zumindest die so hoch geschätzte Kirchenmusik bis
an sein eigenes Grab zu pflegen und zu fördern. Doch Nikolaus beendete einsam,
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Untertitel
- Biografie eines manischen Sammlers
- Autor
- Stefan Körner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Abmessungen
- 23.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 404
- Kategorie
- Kunst und Kultur