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Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
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FAZIT370 2 Der Begriff des Obenbleibens in Bezug auf die Adelsgesellschaft im 19. Jahrhundert wurde von Rudolf Braun 1990 geprägt. genüber der aufkommenden Leistungsgesellschaft zu wahren. Das Infragestellen der Ständeordnung und die Kritik am Adel wurden von ihm und seinen Standesge- nossen weitgehend ignoriert, auf die gesellschaftspolitischen Umwälzungen wurde mit demonstrativer Verschwendungssucht reagiert. Obwohl die Aristokratie damit die Gesellschaft einstweilen weiter dominieren konnte, fehlte ihr dennoch lang- fristig die Daseinsberechtigung. Von der vermeintlich heilen Welt des glänzenden Esterházy-Hofes, in der Nikolaus standes- und sendungsbewusst erzogen wurde, gelangte er als junger Erbprinz schnell an moralische und ökonomische Grenzen, die ihm fremd waren. 2. Ab 1794 selbst Majoratsherr, suchte der junge Fürst unruhig nach Wegen der ständischen Selbstbehauptung. Er oszillierte kurz vor 1800 zwischen dem Negie- ren und Verstehen der politischen Entwicklungen, spätfeudal anmaßendem Adels- ethos und mutigem Aufgreifen bahnbrechender Entwicklungen zur Erneuerung der Ökonomie und Administration seiner Ländereien, klassischem Geschmack und innovativer Sammlerproduktivität, provokativ-modernen Bauideen und mangeln- der Durchsetzungskraft, unwilligem, aber leidenschaftlich-glanzvoll inszeniertem Diplomatendienst, feiersüchtigen Festinszenierungen und depressiver Psyche. Im Probieren von wechselnden Stilen, Experten und künstlerischen Ausdrucksmög- lichkeiten gelangte der von den Prinzipien der hegemonialen Auserwähltheit über- zeugte Nikolaus II. an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Die inzwischen blutige Revolution und die ungewisse Zukunft der europäischen Machtverhältnisse ließ die Kunst für die deutsche Geisteswelt zum letzten Refugium der aufgeklärten Re- volutionshoffnungen und für Nikolaus zu einem wichtigen Mittel im ständischen Kampf ums »Obenbleiben«, also dem Erhalt der Stellung innerhalb der gesell- schaftlichen Hierarchie, werden2. 3. Der Aufstieg Napoléon Bonapartes, der den antiadeligen Schwung der Revolu- tion brach, bot Aristokraten und Intellektuellen gleichermaßen Hoffnung auf die ständische bzw. idealistische Welterneuerung. Die Neuformierung des Adels unter Napoléon beendete die josephinische und revolutionäre Adelsfeindlichkeit und ließ im Kompromiss von Ancien Régime und der neuen Welt die Revolution von oben möglich erscheinen. Dies weckte den Innovationsgeist Nikolaus’ und eröffnete ihm neue Selbstbehauptungsmöglichkeit. Begeistert nutzten viele Adelige, wie auch Ni- kolaus II. nach einer Paris- und London-Reise, technische Innovationen, Bildungs- fortschritt und moderne Bau- und Gartenkunst, um Nützliches mit Schönem zu verbinden. Unter diesem aufgeklärten Credo entstand die Eisenstädter Kulturland- schaft. Unbändig getrieben, geschmeidig sich anpassend, konnte der Fürst mit sei- nen bedeutenden Kunstsammlungen und einem fast königlichen Musenhof seine ständische Stellung im Habsburgerreich festigen, sich europäische Anerkennung verschaffen und den Stand seiner Familie im sich wandelnden Deutschland des alten Reiches weiter ausbauen. Nikolaus II. schrieb sich und seine Familie damit binnen zehn Jahren erfolgreich und folgenreich mythenhaft-königlich ins europäi- sche Kulturgedächtnis ein. Als das deutsche Reich 1806 und dann auch Napoléons Macht 1814 zerbrachen, war Fürst Nikolaus II. auf dem Zenit seiner ständischen Geltung angekommen und stieß gleichzeitig an die Grenze seiner Aufstiegsgeschichte, denn der angepasste Wandel hatte keine Zukunft. Der Wille zur Macht lief ins Leere.
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Nikolaus II. Esterházy und die Kunst Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Untertitel
Biografie eines manischen Sammlers
Autor
Stefan Körner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 2.0
ISBN
978-3-205-78922-2
Abmessungen
23.0 x 28.0 cm
Seiten
404
Kategorie
Kunst und Kultur
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