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Alexandra Caruso
Mit den Mitteln der Disziplin
Das Material der späten Tagebücher ist spröder in Stil und Thematik und daher
vielleicht nicht unbedingt als einfache Lektüre zu bezeichnen. Das Ehepaar Tietze
absolvierte in den Jahren 1937 und 1938 eine Tour de Force durch private und öf-
fentliche Kunstsammlungen Westeuropas. Die wichtigsten Stationen der Reise, auf
der intensiv geforscht wurde, hielt Erica Tietze-Conrat in einem Reisetagebuch fest.
Dabei ist das Selbstverständnis, das sie bei allen Unternehmungen an den Tag legt,
nicht zur Schau gestellt. Die meisten Routen haben die beiden schon mehr als einmal
zurückgelegt. Das umfassende, gemeinsam verfasste Werkverzeichnis zu Albrecht
Dürer sowie Hans Tietzes Monografie über Tizian sind bereits erschienen, die Ar-
beiten zu seinem „Tintoretto“ im Wesentlichen abgeschlossen.1 Hauptanliegen der
hier dokumentierten Reisen ist die Erstellung eines weiteren großen Katalogwerks,
diesmal zu Handzeichnungen venezianischer Maler des 15. und 16. Jahrhunderts, an
dem Tietzes bereits seit dem Jahr 1935 arbeiten.2
Die Idee zum neuen Korpus sei von Erica Tietze-Conrat ausgegangen, schreibt
Madlyn Millner Kahr 1981 in einem biografischen Aufsatz und zitiert aus einem
heute nicht mehr vorliegenden autobiografischen Text Erica Tietze-Conrats, der die
Entstehungsgeschichte des Katalogwerks wiedergibt : „While H. T. was preparing his
Titian monograph, I, travelling with him, concentrated on the drawings. I had pub-
lished some smaller papers on Venetian drawings, correcting some attributions in the
Albertina catalogue. When I encountered the enormous material in the Uffizi and
was able to identify some drawings that were anonymous or superficially listed under
collective names, I suggested to H. T. that we make something like a corpus of the
Venetian Renaissance drawings. We therefore from 1935 on travelled through Europe
with this purpose in mind.“3
Nun stellten diese Aufzeichnungen keinen eigentlichen Arbeitsbehelf dar. Es gibt
Hinweise, dass Erica Tietze-Conrat noch separat Arbeitsnotizen angelegt hat („Was
ich bei Witts atemlos gearbeitet habe, das hab ich alles aufgeschrieben“). Die un-
glaubliche Fülle des erfassten kunstgeschichtlichen Materials in einem ausgedehn-
ten Raum lässt Anklänge an die großen kunsttopografischen Unternehmungen der
Denkmalpflege zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkennen. Wie bei der Bergung der
Kunstwerke im Weltkrieg eröffnet der Blick weg von den Kunstschätzen ein unruhi-
ges weltgeschichtliches Panorama. In der kunstwissenschaftlichen Literatur gibt es zu
Erica Tietze-Conrats Tagebüchern kaum etwas Vergleichbares. Gelegentlich wecken
die Aufzeichnungen Erinnerungen an Gustav Friedrich Waagens (1794–1868) Mit-
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 346
- Kategorie
- Biographien