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Tagebuch 1937/1
Leider konnten wir diesmal nicht d. Regen abwarten, gingen zu Fischer, der auch
abwesend war. Leider nicht der von Suida bestimmte Tizian ! Danae. (Sein Palma
(hl. Familie s[iehe] Belvedere) ist besser, jedenfalls durch Größe imponierend u. ein
altes Bild). Am nettesten ein Gobelin d. h. Bildwirkerei deutsch, um 1475/85, ein
König mit Dame im Schooß, derselbe sich mit einem Holz aufs Fingerlein klopfend,
Spruchband Ach Got…hellft….fingerlein. Wohl ein Fragment (für d. Kurth). Am
Bahnhof lang hin u. her überlegt, dann alles umgestoßen, Reise nach Straßburg etc.
aufgegeben u. nach Basel. Hôtel Bristol, beim Bahnhof (nicht sehr gemütlich).9
22. [April]
Wieder schlechtes Wetter. Zuerst das neue Museum, das uns gut gefiel, obwohl
gerade d. ital[ienische] Teil der uns heute interess[ieren] würde, trostlos ist. Die
österr[eichische] Ausstell[ung] ist sehr gut untergebracht. Das Kupferstichkab[inett]
wie ein ideales Klublokal. Hinreißend. Die ital[ienischen] Z[eichnung]en absolut null.
Dann zu Dr. Loeb (Holbeinverlag), der erst morgen früh ankommt. Dann zu de
Burlet, der außerordentliche Sachen hatte. Unter anderem eine thronende Vene-
zia, eine Art Deckenbild Art d. Pordenone. Von Zeichnungen : eine Verleumd[ung]
d. Petrus, 4 x dieselbe Gruppe von 3 Gestalten in einem Durchblick von einan-
der überschneidender Architekt[ur]. Er glaubte : Tizian, was ganz ausgeschloss[en].
Laviert. Wir erbitten Photo ; ebenso von 2 aus S[amm]l[un]g Grassi stammenden,
dort Tintoretto genannte Martyrien, die von einem anderen Terrafermamann sein
können. Eine sehr interess[ante] […] Maria (Magd[alena] !) in Kreide mit wei-
ßen Hakeln à la Dürer um 1508 u. zugleich florentin[isch], Hans meint viell[eicht]
ein früher […]. Nach d. Essen bei Raeber große Überraschung ! Die schönste
Tiepolokopfzeichn[ung], leider nur in Photo, er hat sie via Christ[ian] Nebeh[ay]
verkauft. Von anderen Z[eichnung]en einmal in seinem Besitz, jetzt bei Christ,
zeigt er einen kürzl[ich] in O[ld] M[aster] D[rawings] publiz[ierten] „Dosso“, eine
männl[iche] Vanitas mit Stundenglas Spiegel u. Pfau, die sehr spät sein müßte. Eine
Europa, die von der Tizians ausgeht, wollen wir morgen früh photogr[aphieren]
(Verdizotti ?). Wundervolle Longhi Kostümstudien f. ein Porträt. Noch eine Pho-
tographie von dem Aquarellbildnis einer Alten, von dem d. Brit[ish] Mus[eum]
die ausgeführte Version hat (L….. als Dürer, aber schon lang ihm abgesproch[en]
u. für Cranach gehalt[en]). Raeber meint : Baldung u. kann recht haben. Die
Kupferstichs[amm]l[un]g hats erworben. Wir gehen hinüber, um das Blatt anzu-
schauen, aber Koegler lässt sagen, daß wirs nicht sehen können, es werde gerade
montiert. (Tableau !) Zum Schluss bei der von Gilh[hofer] u. Ranschb[urg] empfoh-
lenen Frau Schulthess, sie hatte zwar keine Z[eichnung]en, aber das Schweißtuch,
dessen Röntgenaufnahmen uns Dr. Reber zu Weihnachten gezeigt hatte u. die da-
mals schon wie ein Grünewald aussah. Das Bild ist großartig, aber für d. arme Frau
ein Danaergeschenk, denn wer kauft etwas derartig blutrünstiges. Sie behauptete,
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 346
- Kategorie
- Biographien