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Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
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35 Tagebuch 1937/1 des Bernh[ard] Altmann als Mittelstück sieht, so ist es noch widerlicher. Als ich dem Stix sagte, wie schlecht ich das Bild finde, wurde er so grob mit mir (nannte mich ein- gebildet u. s. w.), daß es sich mir wie eine dunkle Wolke über die Stimmung d. Tages legte. Wenn jemand gegen mich grob wird, bin ich wie gelähmt. Und jetzt verstehe ich es doch wieder : Stix, der Mop[p] walten läßt u. sich als den österr[eichischen] K[ün]stler propagieren läßt, hat natürl[ich] ein schlechtes Gewissen, weil es doch über d. Kopf d. Haberditzl geschieht, d. eben kein Kopf sein kann, da sein Körper gelähmt ist ! Natürlich mußte ihn meine Kritik darum doppelt reizen  …26 Wir gingen mit Floch dejeunieren und das war auch keine Aufheiterung. Zum Kunsthändler Gobin, der krank war, sein „junger Mann“ Ströhlin war nicht da ; Be- sorgungen ; nachhause. Ausruhen. Abends im Athénée, École des femmes von Mo- lière, mit Jouvet, Inszenierung von Bérard (Freikarten). Entzückend, geistvoll u. tief ; der reinste Genuß. Und wie klug ist es doch vor Beginn ein Avant le Rideau zu spielen ! Welch ein weiser Verzicht in solch einem Stück liegt, das sich ohne Rancune bescheidet, nichts sein will als Lockerung, Appetit-machen. Die Weisheit des Hors d’œuvre, das wir verfressene kulturlose Östler auch nicht richtig zu handhaben wissen, sondern immer so viel davon vertilgen, das uns d. Appetit für nachher vergangen ist. Bei uns würde man wahrscheinlich ein Avant le Rideau bei Nietzsche bestellen  …27 Am nächsten Tag  – das war gestern  – ist alles unter d. Zeichen d. 1. Mai gestan- den. Hätten wir z. B. wenn es nicht d. 1.V. gewesen wäre, Tischler in Auteuil aufge- sucht ? So haben wir sogar mit ihm dejeuniert, und das in jenem Keller, der heute abends die österr[eichische] Künstlerbund-Kneipe sein soll. Anwesend war noch eine Strzyg[owski] Schülerin Hahndl die hier jetzt Kunst treibt, der Linzer Maler Kleo- phas Bogailei (ehemals Reischl), ein Pfiffikus, der genau weiß, warum er sich seine kindliche Seele bewahren soll, ein Maler Goebel u. seine Freundin Freist. Sie sollten dann das Lokal für den „Empfang“ künstlerisch ausgestalten.  –28 Wir gingen am Nachmittag zu Mme Bertrand, die so entzückend wohnt u. überall noch ein Haucherl Anderl in d. Räumen hängen hat. Linette war da, unverändert, fast erschreckend unverändert. Und nicht mehr 17 sondern 22. David kam auf einen Augenblick, er hatte „Reportage“ photographiert u. mußte wegstürzen, Rendez-vous eines „Lagers“ draußen, weekend. Dann Vater Eisenschitz, der viel mehr Künstler, Wiener u. Franzose als Vater ist. Wir fuhren dann in seinem alten Kasten, eigentlich kaum mehr ein Chassis, in sein Atelier. Sympathische Bilder wie d. Mensch selbst. Nachtmahl am B[oulevar]d S. Michel (Steinbach), wohin auch Floch kam. Tiptop angezogen, in seiner Eigenschaft als Président von einem Empfang irgendwo, wo Pernter drei jüdische französ[ische] Minister anstrudeln musste. Abschluss in einem Cinemac (d. h. Cinéma Actualités), wo für mich d. Hauptnummer eine Reportage über Father Divine war. Wir haben alle Typen wiedererkannt, es ist nicht wahr, daß „man ist schwarz u. damit gut“ ist. Lang in d. Sonntag geschlafen.29
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Erica Tietze-Conrat Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
Titel
Erica Tietze-Conrat
Untertitel
Tagebücher
Band
II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Herausgeber
Alexandra Caruso
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79545-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
346
Kategorie
Biographien
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