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Tagebuch 1937/1
Skulpturen, Bronzen aus d. 11., 12. Jh., orientalische Kunst, merowingische Grab-
funde, karolingische Goldschmiedearbeiten. Es ist wie in einem Märchen ! Und je-
des u. alles wird einem im Augenblick nahe u. unendlich wichtig, weil es gewählt u.
aneinandergefügt ist von der schöpferischverlebendigenden Liebe d. Sammlers. Wir
waren vier Stunden dort u. nachher so frisch u. erschöpft zugleich, als hätten wir wie-
der einmal etwas ganz zur Neige getrunken und wären an einem hörbaren Punkt u.
Gedankenstrich angekommen.
Erst nachher in d. Eisenbahn nach Antwerpen u. mehr noch beim abendlichen
Spaziergang an den Hafen bin ich wieder zur mir gekommen. Aber dieser Spazier-
gang war schön ! Die Schelde ist so breit, kaum ein Fluss mehr, sondern ein Land, das
sich in Streifen ans Meer verliert. Daß wir in etwas mehr als einer Woche darüber
fahren sollen, war kaum ein Schatten über der Augenfreude
…
Merkwürdig einsam war d. Stadt dort, ein paar Restaurants waren da, gedeckte
Tische, auch etwas Licht, ein Kellner im ganzen. Wie Mitteilungen aus dem Geis-
terreich hingen die kreidegeschriebenen Menus am Eingang. Wir wagten uns hinein :
„On est tout seul ?” „Tout le monde est à Londres,“ antwortete d. Kellner lachend.
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Abb. 15 : Palais Stoclet, Brüssel, Josef Hoffmann, Gustav Klimt, Speisezimmer, um 1910.
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 346
- Kategorie
- Biographien