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Tagebuch 1937/2
ner Kurz, Gombrich, Frau Dr. Bing (sehr
sympathisch). Outsiders oder Randab-
graser d. zünftigen Wissenschaft alle
dementsprechend Über- u. Minderwer-
tigkeitsgefühle. Wir haben geschäkert
Wissensch[aft] u. Politik. Man fragt sich,
wie solche Menschen im Lebenskampf
durchkommen.
–31
Nach dem Dinner um 9h mit einem
Bus, der uns von Haus zu Haus brachte,
zu Mr. Oppé der in entzückender Lage,
gleich bei d. Themse wohnt. Ein netter
alter Herr, sehr begeistert u. mit unzäh-
ligen Blättern versehen. Wir haben uns
einzelnes
– auch was uns nichts angeht
–
zum Photogr[aphieren] angemerkt u.
wiederzukommen versprochen. Das
Stubenmädchen ist aus Linz – aber eine
Deutsche, die nur zuletzt dort gelebt hat.
Die Dame d. Hauses erzählte mir von d.
Coronation, die sie von einem Stuhl aus
in Westminster Abbey – nicht gesehen
hat. Ihr Ausblick war auf d. Chorgitter,
wo d. dazu Beorderte d. Königin u. d.
Peeresses die beim Gehen zur Schlange geschmolzenen Schleppe mit einer Hand
u. einem Stock auseinanderbreitete. Die Dame war ein wenig müde u. während wir
d. ersten Z[eichnung]en ansahen schlief sie richtig ein, ohne ihre aufrechte Haltung
dabei zu verlieren. Nachher war sie viel ausgeschlafener u. munterer als wir.
–32
Unser Ausflug nach Windsor war eine sehr angestrengte Arbeiterei – die wir
nächstens fortsetzen wollen –, aber kaum eine Sensation. Der Wert d. S[amm]-
l[un] g liegt bekanntlich in ganz anderer Richtung. Immerhin einiges das weiter ver-
folgt werden soll. Morshead ist auf Urlaub, aber ein älterer Ober – ? war da (Hände-
druck, kein Trinkgeld), der uns alle Erleichterungen machte, was Selbstbedienung u.
Photograph[ieren] anbelangt. Wir hielten Mittagspause – das ist hier eingeführt u.
freuten uns so wie die übrigen Besucher d. Schlosses an d. rotfrackigen Wachesolda-
ten, die sich alle paar Minuten ein kleines Ausschreiten gönnen dürfen, das sie aber
jedesmal mit einem rundbogigen Stampfen bei Fuß einleiten u. abschließen müssen.
Das ist aber auch wirklich ein Spaß. Das Wetter hat ausgehalten und ich auch – den
warmen Mantel.
–33
Abb. 21 : Gertrud Bing und Fritz Saxl, ca. 1930.
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 346
- Kategorie
- Biographien