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Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
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115 Tagebuch 1937/2 lichen Geräusch durch alle Schiffsgeräusche zu uns durch. Wir kamen um mehr als eine Stunde früher an, als wir erwartet hatten. Auf d. Dogana wurden die Koffer angeschaut, aber nicht die Pässe. Der erste Eindruck d. Stadt war schon durch das abscheuliche Wetter und d. frühe Morgenstunde abstoßend. Es war kein Regen, sondern man ging einfach durch eine Wolke, wurde naß, weil’s naß war und so blieb es den ganzen Tag. Hier im Hôtel wurde uns ein Zimmer angebo- ten, das eigentlich nichts anderes als eine große ein- gerichtete Glasveranda ist. Es hat nur den einzigen Mangel, daß Hans keine Platten drinnen umlegen kann. Wir frühstückten u. legten uns schlafen. Aber nach zwei Stunden begannen wir doch unseren Tag (d. h. Hans begann ihn, ich hätte sonst wohl bis abends geschlafen). Wir fuhren zuerst ins Museum (zu Mahr). Die irische Plastik u. Goldschmiedekunst dort ist sehr eindrucksvoll u. fremd (uns ist jetzt so vieles fremd, seitdem wir so konzentriert arbeiten). Mahr ein Umstandsmeier, Wirrkopf u. Nazi. Hielt lange politische Reden, die für seine (deutsche) Zeitungslektüre aufschlussreich wa- ren. Er erzählte uns von 300.000 aktivistischen Kommunisten in Österreich u. Mu- nitionstransporten aus Tschechien herein. Die Regierung habe solche Angst vor d. Nationalsozialismus, daß sie alles das angehen ließe. Ich fragte, woher man d. Ziffer wisse. Er antwortete, sie sei authentisch. Die Listen jener Menschen, die nach dem verabredeten Zeichen umzubringen wären, seien fertig. So wie in Spanien würde es gehen. England sei auch schon ganz bolschewisiert, d. Stimmung viel schlimmer ge- gen Deutschland als vor einem Jahr. Englands weitere Bolschewisierung könne es vielleicht zum Krieg treiben, der von Deutschland keineswegs gewollt wäre. U. s. w. Dann lud er uns zu sich ein. Hans machte ihn auf d. fehlenden arischen Ahnen auf- merksam, […] die er vielleicht vergessen hätte. Gar nicht vergessen, aber für ihn habe Nationalsozialismus nichts mit Antisemitismus zu tun. Dann kam Mr. O’Brien mit Frau (er Maler-Professor, sie eine sehr nette alte Dame) u. nahmen uns zum Lunch in den Club mit. Es war gemütlich u. ungenießbar. Das kränkt uns aber gar nicht, da wir diese Mahlzeiten gerne unausreichend nehmen u. froh sind, für das, was wir stehen lassen, nicht selbst aufkommen zu müssen. O’Brien ließ es sich nicht nehmen, in d. Galerie unser Führer zu sein. Er war aber dort weniger belästigend, als wir gefürchtet hatten. Ist das aber eine herrliche Sammlung ! Wir blieben etwa 2 ½ Stunden, aber nur, um einen Überblick zu bekommen. Das weitere dann morgen u. Montag. Von Abb. 35 : Adolf Mahr – „ein Umstandsmeier, Wirrkopf und Nazi“.
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Erica Tietze-Conrat Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
Titel
Erica Tietze-Conrat
Untertitel
Tagebücher
Band
II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Herausgeber
Alexandra Caruso
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79545-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
346
Kategorie
Biographien
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