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Tagebuch 1938/1
Rechtfertigung auffordern ? U[nd] ähnliches mehr. Er hat uns neul[ich] Bilder gezeigt,
die mir gut gefallen haben, die aber beim k[ün]stl[ichen] Licht noch geisterhafter
aussahen als sonst. Wir kamen wiederum spät ins Bett u. waren pünktl[ich] um 10 im
Louvre wo wir bei d. Venezianern mit A anfingen und am Nachmittag (Mittagspause
mit Schlaf) bis Robusti (mitten drin) kamen. Da aber mehr als d. Hälfte der Mappen
leer sind (beim Kaschieren u. wo anders aufgestellt), werden wir mit dieser ersten
Durchsicht bald durch sein. Im ganzen haben wir doch 5 Stunden arbeiten können.
Ein Expert Monsieur Mathé hat uns 2 Blätter vorgelegt, die aus d. Rodrigues s[amm]-
l[un]g stammen u. jetzt zu einer Vente kommen. Vögel (mit Tierkämpfen u. […]
auf d. Rückseite) bei Rodrigues Uccello gegeben, weil’s Vögel sind, aber vielleicht
von jemandem der aus d. Norden kommt (Mailand ?) u. Aufträge á la Giov[anni] da
Udine hat. Das andre, eine Madonna mit Kind, zwischen Parmig[ianino] u. Filippino
Lippi (beide Qualitätsblätter). Den Tizian von Michelson kann man nicht im Louvre
X rayen lassen, das dürfen sie nicht mehr für Private tun – man soll sich damit an
einen Photogr[aphen] d. Polizeidirektion wenden ! Hans will aber das Xraybild sehen,
er meint ob d. Härten der Un-Tizianische Mangel des Sfumato, nicht doch daher
kommen, dass d. Bild eine gleichzeitige Kopie eines Tizianschen Originals wäre. Jetzt
haben wir unsere Freikarten in d. Louvre, ob wir da etwas weiterkommen werden ?
Ein Puzzle.9
26. [Jänner] 9h abends
– und ich schreibe schon in der Horizontale. Das Nachtmahl mit Edel u. Filippa
erschütternd ! Er hat noch immer ein Fixum von 300 fr. im Monat. Und jetzt war der
eine Schüler 14 Tage krank
– das war ein finanzieller Ausfall, der kaum zu überstehen
war. Edel selbst war auch krank, eine Magenvergiftung im Anschluß an ein zu fettes
Geselchtes. Er ist noch magerer geworden u. sieht noch viel knabenhafter aus. Blei-
ches Gesicht, rote Ohren. Dazu dieser Enthusiasmus
…
In der Nacht begann es zu schütten, daß wir aus d. Cafe St. Miche mit einem
Taxi heimkehrten. Heute haben wir am Vormittag angenehme, am Nachmittag durch
die laut sich unterhaltenden Parteien sehr enverviert im Cabinet gearbeitet, dazwi-
schen ein paar venez[ianische] Portr[äts] u. franz[ösische] u. ital[ienische] Primitive im
Louvre angeschaut. Sie bauen so sehr, daß die Hälfte des langen Ganges abgehängt
ist. Gegen 5 hatten wir mit Floch ein Rendevous in d. Orangerie, haben ihn aber
am Weg dahin schon getroffen. Die Ausstell[ung] d. leg[ats] Walter Gay war sehr
eindrucksvoll ; die von mir seinerzeit entdeckte Zeichnung hängt noch immer als
Pordenone dort, ich muß sie jetzt für die G[azette] d[es] B[eaux] A[rts] photo gr[a-
phie ren] lassen (Barrocio). Ein attrib[uiert] à la Albr[echt] Dürer, Maria mit Kind,
scheint ein junger Dürer zu sein. Wir haben uns d. Blätter, an denen uns gelegen
ist angemerkt u. werden sie nächstens heraus zubekommen versuchen. Die ange-
schlossene Goyaausstell[ung] war z[um] T[eil] sehr packend. Nichts aus Spanien, nur
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 346
- Kategorie
- Biographien