Seite - 205 - in Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Bild der Seite - 205 -
Text der Seite - 205 -
205
Tagebuch 1938/1
2. [März] abends.
Gestern – Hans’ Geburtstag bin ich wiederum nicht zum Schreiben gekommen ! Es
war eigentlich ein anspannender u. nicht sehr vergnügter Tag
– notabene mit schlech-
tem Wetter (auf mehrere Stunden nur – wir sind aber sehr verwöhnt). Wir haben
früh von Michelson d. Nachricht bekommen, daß sein teleph[onischer] Anruf beim
Silbervogel in Basel sehr negativ war. Immer dieselbe Hinauszieherei. Hans hat dar-
aufhin an Gronau (der angeblich Thyssen in Verschluß hat) per Luftpost geschrieben.
Wir waren dann in d. Botschaft, haben unsere Pässe bestellt u. nur ein Stündchen im
Louvre, wo wir Lugt sprachen, der liebenswürdiger als sonst sich gab. Es scheint, daß
die Pariser Luft auch ihn auflockert. Zu mittag speisten wir mit Marignane bei seiner
Schwester, d. Malerwitwe Patissou (Rue Littré 1)
– der † hat einen Straßennamen in
Nantes
–47
Ein sehr ungewohntes Milieu ; altväterisch Vogelhäuselzimmer – aber lauter Skiz-
zen u. Z[eichnung]en an d. Wänden. Nach d. Kaffee eine Mappe noch aus der wir 5
Blätter in d. Louvre mitnahmen, von denen eines für eine ganze Gruppe Palma z[eich-
nun g]en (die wir nicht f. Palma gehalten hatten) entscheidend war. Zum Verkauf
nahegelegt wurde uns nur eine Raffaelmadonna mit Kind, die wir aber an Fischel
weitergaben. Nachmittag haben wir zuhause gearbeitet, nachdem wir einen angeneh-
men Spaziergang durch Anderls Gegend heim gemacht hatten (Bücher eingekauft).
Genachtmahlt mit Mimi Floch in d. Abesienne. Sie ist eine reizende Frau
– u. es war
auch d. Geburtstag der Kleinen !
–48
Heute haben wir vormittag im Louvre photogr[aphiert] u. gearbeitet und mit
Michelson Mittag gegessen. Lange Kriegsrat gehalten, bis wir – zuhause – die tele-
graph[ische] Antwort von Gronau fanden, daß wir uns mit Bottenwieser in Verbin-
dung setzen sollten, was geschah (morgen ½ 1). Am Nachmittag im Louvre erst mit
Hans, dann allein (Spanier u. anon[yme] Flor[entiner]) gearbeitet. Hans ging zu Mi-
chelson (noch ein Bild anschauen), zu Bischof auf d. Botschaft u. d. Pässe holen. Ich
trug dem Marignane d. Z[eichnung]en seiner Schwester zurück, bei welcher Gele-
genheit er mir einen Cassone von Greco etc. etc. zum Ankauf anbot. Schließlich mit
Burgs genachtmahlt, denen wir die f. sie gekauften 2 Zeichnungen übergaben. Von d.
Filippino Lippi hab ich mich direkt schwer getrennt !
3. [März] Mittag.
Heute haben wir unsere Fahrkarten etc. besorgt u. im Louvre Schluß gemacht u.
Abschied genommen. Hans ist dann allein zu Michelson, wo er Bottenwieser trifft.
(Gronau hat, abgesehen vom Telegr[amm], heute noch einen Brief geschickt). Ich
hab schon einen Teil meiner letzten Weisungen an Therese geschrieben, fange also
an, mich nicht nur von Paris, sondern auch vom Hans zu detachieren. Floch soll um 5
zum Tee u. Abschiednehmen kommen. Dann abends noch Burgs und morgen früh
–
7h30
– kanns losgehen !49
zurück zum
Buch Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)"
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 346
- Kategorie
- Biographien