Seite - 4 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Bild der Seite - 4 -
Text der Seite - 4 -
von Sauter) oder umÖsterreicherInnen, die in das französischsprachige Ausland
emigriert sind (wie JeanAméry,ManèsSperberundAndréGorz).9 EinThema,das
die Nachkriegsperiodikamit Vehemenz verfolgen, ist das der Verantwortung von
SchriftstellerInnen:Vergleichsweiseeinhelligwirdso inkatholischen,kommunisti-
schen und avantgardistischen Blättern ein Engagement gefordert, das in seinen
Grundzügenmitden literaturtheoretischenInhalten inSartresQu’est-ceque la litté-
rature? übereinstimmt (cf. Kap. 6.4). Die nach demKrieg zu neuer Aktualität ge-
langteFrage,obdiealteSprachezurAbbildungdesErlebtenundzumAufbaudes
NeuenhinreichenkannoderobsichdurchsiebloßalteDenkmusterperpetuieren,
wirdvondeninsprachskeptischerTraditionstehendenundjüngstauchvomSurre-
alismus beeinflusstenNachkriegsautorInnen lebhaft debattiert. Das inVariationen
vorgebrachteMotto„KeineneueWeltohneneueSprache“10 stecktdieGrenzender
Bereitschaft vieler ab, sicheinemaufdieSagbarkeitderDingebauendenLiteratur-
Konzept zu öffnen, das,wenig beeindruckt vomMissverhältnis zwischen Sprache
undRealität,erstererwiederzuWürdeundKonstruktivitätverhelfenwill.
FormundInhaltder littératureengagéepräsentiertdas6.Kapitel,dascharakte-
ristischeThemenundMotivedesExistentialismusals literarischeStrömungamBei-
spielderneuenösterreichischenErzählerInnender fünfziger Jahreveranschaulicht.
Dabeimacht die Literatur der Grenzsituationen (littérature des situations extrêmes)
in dem von Hans Weigel herausgegebenen Jahrbuch Stimmen der Gegenwart
(1951–1956) deutlich,wie analoge narrative Elemente nicht notwendig imEinfluss
desExistentialismusgründen,sonderndurchausZeitgeist-Ähnlichkeitengeschuldet
seinkönnen (cf.Kap. 6.3).VieleKonvergenzenberuhenauf indirektenoderumwe-
gigen Kontakten und Verflechtungen; so führt Franz Kafka, der Einfluss auf das
Werk Sartres undCamus’hatte, den jungen österreichischenKanonnach 1945 an
undverstärkt, durchdie zahlreichenAnknüpfungspunkte zuseinemexistenzorien-
tierten, absurdistischenSchreiben, denTransfer des Existentialismus (cf. Kap. 6.1).
Das österreichische Lesepublikum samt den LiteratInnen, die diese Art von Prosa
9 OhnedieMaßstäbederZugehörigkeit zurösterreichischenLiteraturdurchGeburtsort,Wohnort
oder Selbstverständnisweiter zudiskutieren, bezieht dieseUntersuchungneben inÖsterreich le-
benden SchriftstellerInnen (aller Nationalitäten) ÖsterreicherInnen ein, die das Land dauerhaft
verlassenhaben(etwaIngeborgBachmann,GerhardRühm),derenLiteratur jedocheinenstarken
Österreich-Bezugaufweist, sowie jene,diewährenddesNationalsozialismus fliehenmussten,wie
der inÖsterreich-UngarngeboreneManèsSperberunddernach 1945als„gelernterHeimatloser“
(Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten. München 21966,
S.90)ebenfallsnichtnachÖsterreichzurückkehrendeJeanAméry.
10 IngeborgBachmann:Dasdreißigste Jahr. In:Bachmann:SämtlicheErzählungen.München
82010,S. 132.
4 1 Existentialismus inÖsterreich.Einleitung
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur