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akademischen Bereich Zweifel an der philosophischenGüte der Denkrichtung
aufkommen.SobeeinträchtigtderRufals skandalumwobeneModeerscheinung
dieAufnahmeinuniversitärenKreisen,wiediewissenschaftlichenPublikationen
der Jahre 1945 bis 1955 unmissverständlich belegen.Diesewerden im7. Kapitel
zusammen mit Lehrveranstaltungen und Hochschulschriften österreichischer
Universitätenausgewertet,wobei „demErnst undEngagementdes existentiellen
Denkens“15 des Dozenten Leo Gabriel – ein vergleichsweise aufgeschlossener
Vermittler–besondereAufmerksamkeit zukommt,ebensodererheblichenKritik
durchseinenKonterpartErichHeintelamInstitut fürPhilosophiederUniversität
Wien, der der Strömung schonvor der Lektüre vonSartres nochnicht übersetz-
temphilosophischemHauptwerkL’Être et leNéant (1943) jedeWissenschaftlich-
keitabspricht (cf.Kap.7.2).
Generell ist derExistentialismus-Transfer vordemHintergrundvorhandener
ÜbersetzungenundBerichterstattungen,alsodespotentiellenWissensstandsder
RezipientInnen zu betrachten. Alswirkungsvollen Träger seiner Philosophie er-
achtetSartredasTheater, dasgerade inÖsterreicheinenbedeutendenPlatz ein-
nimmt,daseineStückeschon inderSaison1947/48aufdenSpielplänenstehen,
seineProsahingegengrößtenteils ab 1949/50,Das Sein unddasNichts erst 1952
indeutscherÜbersetzungvorliegt.DieAbfolgevonSartresphänomenologischer,
existentialistischer, marxistisch und schließlich anarchistisch gefärbter Phase
spiegelt sich wenig in der Übersetzungs- und Rezeptionschronologie. Seine
Prosa–derRomanLaNausée, derErzählbandLeMurundderausL’Âgede rai-
son,LeSursis,LaMortdans l’âmeunddemunvollendetgebliebenenLaDernière
Chance bestehende Roman-Zyklus Les Chemins de la liberté– erscheint bis auf
den letzten Teil der Trilogie zwischen 1938 und 1945, Jahre bevor die zunächst
auf Dramen und philosophische Kurztexte konzentrierte Erstrezeption inÖster-
reichbeginnt.Als seineRomanegelesenwerden,hatSartre seinenSchwerpunkt
bereitsweiteraufphilosophischeundpolitischeTexteverlagert,schreibtaberbis
indieMittedersechziger JahrenochTheaterstücke.
In der österreichischen Aufführungsgeschichte existentialistischer Dramen
(cf.Kap. 8) stichtdas inantikommunistischemRuf stehendeLesMains salesauf-
grundmehrerer Skandale, die Sartre zweimalpersönlichnachWien führen,her-
aus: Scheitert das Drama schon Ende 1950 am Wiener Volkstheater an den
verhärtetenpolitischenFrontendesKaltenKriegs, sorgtSartreausAngstvor Inst-
rumentalisierungseinesStückszwei Jahrespäterselbst füreinAufführungsverbot
15 AugustinusKarlWucherer-Huldenfeld: LeoGabriel (1902–1987). Zur BedeutungundTrag-
weite seinesGrundgedankens. In:Benediktetal. (Hg.):VerdrängterHumanismus–verzögerte
Aufklärung, Bd. 6: Auf der Suche nach authentischemPhilosophieren. Philosophie in Öster-
reich1951–2000.Wien2010,S.622–635,hierS.623.
6 1 Existentialismus inÖsterreich.Einleitung
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur