Seite - 13 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
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AneignungundAbwehr von kulturellen Elementen großeBedeutung zu, so in
Österreich zwischen 1945und 1955, einer für die Identitätsbildungder Zweiten
Republik wichtigen Transformationsphase, die zeitlich mit der Existentialis-
mus-Erstaufnahme in eins fällt. Dabei zeigt sich klar, wie Kulturen „von ihren
GrenzenausdefiniertunddurchdasMomentderAbgrenzungproduziert“6wer-
den, indiesemFall vonWestdeutschland (cf. Kap. 3.2). Zwarwerdendie litera-
rischen Felder durch die 1948 langsam beginnende Wiedereröffnung des
HandelsmitDeutschlandschließlich insofernnur teilweisezu trennensein, als
zahlreiche österreichische SchriftstellerInnen in Deutschland arbeiten, verlegt
undgelesenwerdenunddortüberdiesdiemeistendeutschsprachigenÜberset-
zungen entstehen, doch geht der hier untersuchte Kulturtransfer dieser Ent-
wicklung voraus. Er vollzieht sich weniger zwischen dem französischen und
deutschenSprachraum, als zwischendenNationenFrankreichundÖsterreich,
gründend in abweichenden Maßnahmen der alliierten Kulturpolitik in Öster-
reich (cf. Kap. 4.2), die vor allemdemnationbuildingdienen,der Stärkungdes
schwachausgeprägtenStaatlichkeitsgefühls.7
Die Kulturtransferforschung führt, vor allem angewandt auf Epochen, in
denensichNationalkulturenausbildenund ingroßemUmfangKulturgüter aus
anderen Ländern aufnehmen, umformen oder ablehnen, zu „reichemErtrag“,
so in dem „durch dieDominanz einer nationalenKonzeption vonKultur“8 be-
stimmten 19. Jahrhundert oder in denPhasender politischenNeuordnungEu-
ropasnachbeidenWeltkriegen.ObwohldieTransferforschungMichaelWerner
zufolgemit demVorhaben angetreten ist, „die vermeintlicheHomogenität der
Nationalkulturen aufzubrechen“9, werdendiese alsUntersuchungseinheit und
6 Suppanz:Transfer,Zirkulation,Blockierung,S. 24.
7 Zur ‚Nationswerdung‘ Österreichs cf. Félix Kreissler: La Prise de Conscience de la Nation
Autrichienne. 1938–1945–1978,Bd.2.Paris 1980.
8 JosephJurt:DaswissenschaftlicheParadigmadesKulturtransfers. In:BergerundSick (Hg.):
Französisch-deutscher Kulturtransfer im „Ancien Régime“. (Cahiers lendemains 3.) Tübingen
2002,S. 15–38,hierS. 26.
9 In dieser Hinsicht stellt die auf die „Überwindung nationalgeschichtlicher Sichtweisen“
setzende jüngere Tendenz der Transferforschung, die Anfang der 2000er-Jahre entwickelte
Histoire croisée, eine sich als Prioritätenverschiebung äußernde Weiterentwicklung des
Kulturtransfer-Ansatzes dar. DieHistoire croisée kann zwar ebenfalls nicht ganz auf das
Nationale als Referenzrahmen verzichten, denkt die eigene Situiert- undVoreingenommenheit
allerdings stärker mit. Bénédicte Zimmermann undMichael Werner: Vergleich, Transfer,
Verflechtung. Der Ansatz derHistoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen.
In:GeschichteundGesellschaft 28 [2002],Nr.4,S.607–636,hierS.607.Cf. auchMichaelWer-
ner: Kulturtransfer undHistoire croisée. Zu einigenMethodenfragenderUntersuchung sozio-
kultureller Interaktionen. In: Braese und Vogel-Klein (Hg.): Zwischen Kahlschlag und Rive
2 DerExistentialismusalsGegenstandderKulturtransferforschung 13
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur